Ausgabe 10 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Cross Border Leasing gestoppt

Werner Rügemer über die Folgen der neuen Gesetzeslage in den USA

Jahrelang haben deutsche Kommunen versucht, ihre Budgetlöcher mit dubiosen Cross Border Leasing-Verträgen zu stopfen: Öffentliches Eigentum wird an einen US-Investor verkauft und zurückgemietet. Von dem Steuervorteil gibt der Investor vier bis fünf Prozent an den deutschen Vertragspartner ab, die dann gleich als „Barwertvorteil" eingestrichen werden können. Jetzt hat man den Unfug in den USA unterbunden. Der Kölner Publizist Werner Rügemer, der mit seinem Buch über Cross Border Leasing Licht in dieses Dunkel aus Wirtschaftskriminalität und politischer Verantwortungslosigkeit gebracht hat (s. scheinschlag 5/2004), nimmt Stellung zur neuen Lage.

In Ihrem Buch über Cross Border-Leasing haben Sie eindringlich vor den Risiken gewarnt, die Kommunen mit diesen windigen Verträgen eingehen. Jetzt hat man in den USA die Steuerschlupflöcher, aufgrund derer diese Deals möglich waren, gestopft. Was ist passiert?

Zum 1. Dezember 2004 wird in den USA ein Steuergesetz wirksam, wonach alle Cross Border Leasing-Verträge, die nach März 2004 geschlossen wurden, nicht mehr anerkannt werden und keine Steuervorteile mehr bringen. Es war aber allen Investoren und Städten sowieso schon lange klar, daß es so kommen wird. Im Jahre 2004 hat schon niemand mehr gewagt, einen solchen Vertrag abzuschließen. Die „Arrangeure" wie Deutsche Bank und DaimlerChrysler Financial Services, die in Deutschland den Städten zu solchen Verträgen geraten und immer beteuert haben, alles sei legal, sicher und professionell geprüft, stehen nun blamiert da.

Was bedeutet das für die bestehenden Verträge, die ja eine Laufzeit von 100 Jahren haben? Was kann beispielsweise auf die BVG zukommen, die Straßenbahn- und U-Bahn-Züge verleast hat?

Die oberste US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) und die Finanzämter waren ja schon immer skeptisch. Aber sie waren nicht vollständig informiert. Die meisten Verträge lagen ihnen gar nicht vor oder sie haben diese hochprofessionell hingetricksten 2000-Seiten-Werke gar nicht richtig verstanden. Die Finanzämter hatten in der Regel nur Kurzgutachten, die von Anwälten erstellt waren und die steuerliche Korrektheit bescheinigten. Diese „opinion letters" sind in den USA ein übliches Instrument. Aber gestützt auf das neue Gesetz sind die Finanzämter nun dabei, jeden einzelnen Cross Border Leasing-Vertrag genauer durchzuprüfen. Sie schreiben die deutschen und europäischen Städte und staatlichen Unternehmen an und verlangen die Vertragstexte. Dabei werden sie immer wieder auf den Widerspruch stoßen, daß die Investoren behaupten, die Eigentümer der Kanal- und Schienennetze und U-Bahnen und Messehallen zu sein und daß die Städte dies ebenfalls behaupten. Die Eigentümerschaft der US-Investoren könnte sich dann doch als fiktiv oder betrügerisch erweisen. Das könnte dazu führen, daß die Steuervorteile nicht mehr gewährt oder zumindest vermindert werden und die Investoren aus den sinnlos gewordenen Verträgen, in denen sie ja noch auf mindestens 20 Jahre hunderte Millionen Dollar gebunden haben, aussteigen. Dann können sie Vertragsverletzungen bei den Städten suchen, z.B. wenn die ihrer jährlichen Berichtspflicht über das Funktionieren der Anlagen nicht so ganz nachgekommen sind. Und da könnte es eben für die Städte gefährlich werden: Bei einer vorzeitigen Beendigung der Verträge müssen die Städte sich hälftig an den Kosten beteiligen. Das können leicht zweistellige Millionensummen werden. Ob die US-Investoren dann diese Beträge tatsächlich einkassieren können, ist noch unklar.

Sie beschreiben in Ihrem Buch eine internationale Leasing-Industrie, der es gelungen ist, hunderte von Cross Border-Verträgen anzuzetteln. Wie wird die auf die neue Lage reagieren? Sind schon neue „Angebote" im Busch, mit denen demnächst Kommunalpolitiker über den Tisch gezogen werden sollen?

Die Berater, die den Städten jahrelang die Verträge schmackhaft gemacht haben, bieten nun „Risikoanalysen" an, für ein kleines Honorar, versteht sich. Da sollen die Verträge, die bis dahin als wasserdicht bezeichnet wurden, nun auf riskante Stellen hin durchforstet werden. Ansonsten gibt es ja auch nach deutschem Recht die Möglichkeit zu ganz ähnlichen Deals: Die Stiftungen deutscher Unternehmen können erhebliche Steuern umgehen, wenn sie ihr Geld in Immobilien nicht steuerpflichtiger Eigentümer anlegen, wenn sie also beispielsweise die Rathäuser oder Müllverbrennungsanlagen deutscher Städte kaufen und zurückvermieten. Zum Beispiel hat die Stiftung MOENA von ALDI Süd die Müllverbrennungsanlage von Aachen gekauft, Aachen mietet sie zurück und erhält wie bei Cross Border Leasing einen Anteil von der Steuerersparnis. Ansonsten verkaufen die Banken und Berater den Städten nun andere Varianten des „Public Private Partnership".

Die Arglosigkeit und Verantwortungslosigkeit, mit der Politiker zwischen Rostock und Konstanz Infrastruktur an Briefkastenfirmen verleast haben, muß man wohl als Symptom begreifen ­ für das, was Sie die „globale Enteignung der Städte" nennen. Was erwartet uns da in nächster Zukunft?

Ich glaube nicht, daß die Kommunalpolitiker alle so „arglos" waren und sind. Ich glaube eher, daß jedenfalls die hauptamtlichen Kämmerer, Finanzdezernenten, Oberstadtdirektoren und Oberbürgermeister ziemlich genau wissen, was sie da tun. Aber wie auf vielen Gebieten schließen sich die Eliten zusammen, hoffen auf die gegenseitige Erhaltung ihrer bisherigen Privilegien. Sie kritisieren sich nicht gegenseitig, obwohl jeder vom andern so manche Schweinerei kennt. Die sogenannten Verantwortlichen in den Städten haben sich in den neoliberalen Mainstream eingeklinkt, auch wenn das die weitere Verarmung der kommunalen Dienste und der Infrastruktur nach sich zieht.

Interview: Florian Neuner

Werner Rügemer: Cross Border Leasing. Ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte. Westfälisches Dampfboot, Münster 2004. 19,90 Euro

 
 
 
Ausgabe 10 - 2004 © scheinschlag 2004/2005