Ausgabe 10 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Gegen Rassismus auf den Straßenschildern

Anfang der neunziger Jahre war in Berlin die große Zeit der Straßenumbenennungen. Kommunistische Widerstandskämpfer verschwanden aus dem Straßenbild. Eigentlich war es darum in letzter Zeit ruhig geworden. Jetzt sorgt in Mitte der Vorschlag einer Straßenumbenennung erneut für große Diskussionen. Es geht um die Mohrenstraße. „Mohr ist wie Neger ein abwertendes Wort", sagt Christoph Ziermann von der PDS-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, wo die PDS-Mitte ihren Umbenennungsantrag eingebracht hat. „Rassistische Namen sollten aus dem Stadtbild verschwinden." Die PDS hat auch zwei Vorschläge, wie die Straße politisch korrekt heißen solle. Entweder soll sie – nach dem ersten Präsidenten Südafrikas nach Ende der Apartheid – Nelson-Mandela-Straße heißen. Oder aber – weil der Vorschlag mit einem Beschluß kollidiert, neue Straßen in Mitte nur noch nach Frauen zu benennen – „Königin-von-Saba-Straße".

Unterstützt wird die Initiative der PDS von afrodeutschen und antirassistischen Initiativen. Für sie wäre diese Umbenennung nur ein erster Schritt zu einem neuen Umgang mit kolonialistischen und antirassistischen Zuschreibungen. Die sind in Berlin auf Schritt und Tritt zu beobachten. So heißt ein Kleingartenviertel im Wedding noch immer Kolonie Togo. Noch immer liegen Schädel und andere Körperteile, die zu erb- und rassenbiologischen Forschungszwecken verwandt wurden, in Kellern von Berliner Kliniken.

Aber schon die Umbenennungsinitiative hat einen Sturm der Entrüstung entfacht. Berliner Medien machen sich über Political Correctness lustig. Auch im Feuilleton der Frankfurter Rundschau hat man einen originellen Grund gefunden, warum die Mohrenstraße unbedingt ih-ren Namen behalten müsse: Schließlich sei Karl Marx von Freunden auch Mohr gerufen worden. Selbst innerhalb der PDS ist man sich nicht einig: „Die von einigen Bezirksverordneten in Mitte angestoßene Debatte um eine Umbenennung der Mohrenstraße beruht nicht auf einer konsensualen Position der hauptstädtischen PDS", distanziert sich der kulturpolitische Sprecher der PDS im Abgeordnetenhaus Wolfgang Brauer von seinen Genossen aus Mitte. Schließlich dekretiert der weiße Mann von der PDS gleich noch, was Rassismus ist und was nicht. Die Mohrenstraße jedenfalls nicht. „Der seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts nachweisbare historische Straßenname hat nichts, aber auch gar nichts mit rassistischen Diskriminierungen des 20. oder 21. Jahrhunderts zu tun", heißt es in Brauers Presseerklärung.

Das sehen Migrantengruppen und Afrodeutsche anders. Für sie ist der Begriff Mohr ein Schlüsselbegriff des subtilen Rassismus – auch in entsprechenden Figuren, Malereien und Postkarten. Sie haben sich Mitte November mit einem eigenen Vorschlag in die Umbenennungsdiskussion eingeschaltet: Am Rande einer Demonstration der Anticolonial Africa Conference Berlin 2004 trugen die Straßenschilder auf einmal den Namen May Ayim. Der Vorschlag sollte aufgegriffen werden. Schließlich braucht man, um der Frauenquote bei der Stra-ßenumbenennung gerecht zu werden, nicht auf historische Königinnen zurückzugreifen. May Ayim war eine afrodeutsche Schriftstellerin, die sich in den neunziger Jahren gegen Rassismus und Faschismus engagierte, die die deutschen Verhältnisse schließlich nicht mehr ertragen konnte und 1996 im Alter von 36 Jahren freiwillig aus dem Leben schied.

Peter Nowak

 
 
 
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