Ausgabe 05 - 2002 | berliner stadtzeitung scheinschlag |
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Jargon der neuen MitteDer Kandidat, der Kanzler und ihre heruntergekommene SpracheStefan Wirner, Redakteur der Wochenzeitung Jungle World, hat seinem Collage-Buch ein Adorno-Zitat vorangestellt: Das Deutsche scheint vor die Alternative eines abscheulich zweiten Biedermeiers oder der administrativ-papierenen Banausie gestellt." Der Wahlkampf 2002, die Alternative Schröder oder Stoiber kann damit nicht gemeint sein, denn politische Differenzen sind auch beim besten ideologischen Polarisierungswillen nur schwer auszumachen zwischen den beiden; den SPD-Wahlkampfstrategen macht das bekanntlich zu schaffen. Allenfalls Edmund Stoibers Aussage in der Bundestagsdebatte zum Nahost-Konflikt, es sei für ihn aus historischen Gründen tabu, die Bundeswehr auch noch nach Palästina zu schicken, konnte aufhorchen lassen. Da kennt Gerhard Schröder nämlich nichts, und das wäre immerhin ein ernstzunehmendes Argument für Stoiber. Aber sonst? Wirner hat es in Schröderstoiber, nach Installation Sieg und Berlin Hardcore seine nunmehr dritte Zitatmontage, schnell der Nominierung des Kandidaten hinterhergeschickt, nun unternommen, aus authentischem Material je eine imaginäre Rede des Kanzlers sowie des bayerischen Ministerpräsidenten zu kompilieren auf daß das Konzentrat die Ideologie kenntlich mache, die hinter dem Jargon waltet". Wer hat schon einmal eine komplette Schröder- oder Stoiber-Rede gelesen? In der Regel reichen einem ja die O-Ton-Schnipsel in Funk und Fernsehen. Lehrreich ist die unerfreuliche Lektüre aber durchaus. Jeder Satz in Wirners Installation" wurde so von Schröderstoiber gesagt, und man findet wahrhaft abenteuerliche Sätze in diesen Reden: Schröders unappetitliche Kriegspropaganda etwa, wenn er vom anti-militaristischen Fundament" der Bundeswehr faselt oder die Bereitschaft Deutschlands bekräftigt, Risiken auch im Militärischen" nicht zu scheuen oder sein verräterischer Satz im europapolitischem Kontext: Unser Land befindet sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer strategisch denkbar guten Lage." Oder Stoiber, der von deutscher Identität schwadroniert oder in seinem antikommunistischen Furor der 17 Millionen Deutschen gedenkt"(!), die hinter dieser schrecklichen Mauer ihrer Freiheit, ihrer Hoffnungen und ihrer Lebenschancen beraubt wurden." Außerdem muß man zur Kenntnis nehmen, daß Stoiber in den Juden neben den Sudetendeutschen einen weiteren bayerischen Stamm" sieht. Da bleibt am Ende nur noch Kopfschütteln. Auf jeden Fall ist Wirner Recht zu geben, wenn er in seinem Nachwort schreibt: Unglücklicherweise ist momentan nur einer der beiden zu stoppen." Florian Neuner Stefan Wirner: Schröderstoiber. Verbrecher Verlag, Berlin 2002. 8 Euro |
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Ausgabe 05 - 2002 | ||||||||||