Ausgabe 01 - 2002 | berliner stadtzeitung scheinschlag |
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Keine Spur Entsetzen mehrDie Wehrmachtsausstellung light"Wer die Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht in ihrer ursprünglichen Form gesehen hat, den dürfte die überarbeitete Version überraschen. Schon die Gesichtsausdrücke derjenigen, die die Ausstellung verließen, waren nicht mehr die der Vergangenheit: keine Spur Entsetzen. Wen wundert`s: Die schrecklichen Bilder, einstmals großformatig die Ausstellung dominierend, sind auf ein Format geschrumpft, das kaum noch richtig wahrgenommen werden kann. Wer bückt sich schon gerne zu diesen Fotos herunter, um Details zu erkennen? Empfangen wird der Besucher der Ausstellung jetzt von der Haager Landkriegsordnung". Das legt die Assoziation nahe, der Verstoß gegen das Kriegsrecht sei der Hauptvorwurf an die Wehrmacht. Daß z.B. der Überfall auf die Sowjetunion ein planmäßiger Massenmord war, mußte vom Personal erst ausgiebig erläutert werden weil diese Grundvoraussetzung für den Vernichtungskrieg" in dem so betitelten Ausstellungsteil kaum Erwähnung findet. Die Textdokumente stammen fast ausschließlich von deutscher Seite: Wehrmachtsberichte, Befehlstexte, Propagandadarstellungen; Opfer kommen nur mehr selten zu Wort. Man muß häufig auf vorhandenes Wissen zurückgreifen, um den Überblick zu behalten. Es sei an dieser Stelle dringend empfohlen, die Ausstellungen im Haus der Wannseekonferenz und im deutsch-russischen Museums in Karlshorst Das alles fehlt in der Wehrmachtsausstellung". Stattdessen ist im nachkriegsgeschichtlichen Teil die personelle Kontinuität innerhalb der Eliten des NS-Reichs und Westdeutschlands, wohin die meisten ranghohen Nazis vor den Roten" flüchteten, als DDR-Propaganda zur Anheizung" des Kalten Krieges verbucht. Freisprüche westdeutscher Gerichte Nazi-Angeklagten gegenüber werden als Widerlegung der Vorwürfe anerkannt Nazi-Prozesse im Osten erscheinen mangels freier Verteidigerwahl grundsätzlich als Schauprozesse. Ein Film, der nun endlich die Schrekken der Massenerschießungen zeigen soll, ist ein absurder Spielfilm: Die Opferdarsteller betreten nach endlosem Schlangestehen vollbekleidet eine Grube, die mit Dielenboden versehen ist ein Massengrab ohne Leichen. Dann rattern die Maschinenpistolen, abgefeuert von Darstellern mit Armbinden, die sie als lettische Freiwillige ausweisen. Eine höchst fragwürdige Auswahl in einer höchst fragwürdigen Ausstellung. Mit einer Dokumentation der Gründe für die Überarbeitung und den Nazi-Demonstrationen gegen die Ausstellung wird man schließlich entlassen und kann beruhigt nach Hause gehen. Diese Ausstellung tut keinem mehr weh. Es ist bedauerlich, daß eine engagierte Ausstellung, wie diese es einmal war, dem Druck von Rechts soweit nachgeben konnte. Steffen Weber |
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