Ausgabe 08 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Stimmanns Thron wackelt

Amt des Senatbaudirektors wird Koalitionsfrage

Ein Interview mit Katrin Lompscher, wissenschaftliche Mitarbeiterin der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus für Stadtentwicklung und Bauen

Die PDS hat jüngst gefordert, den Posten des Senatsbaudirektors abzuschaffen. In welchem Zusammenhang ist dies geschehen?

Die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat einen Antrag gestellt, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung umzustrukturieren und zu verkleinern. Doppelzuständigkeiten sollen abgebaut und Verantwortlichkeiten in die Bezirke verlagert werden. In diesem Zusammenhang haben wir unter anderem gefordert, die Zahl der Staatssekretäre auf zwei zu reduzieren und das Amt des Senatsbaudirektors abzuschaffen. In der letzten Sitzung des Hauptausschusses vor der Sommerpause wurde die Hauptzielrichtung des Antrags - nämlich, daß die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht mit über 3400 Beschäftigten weiterexistieren wird ­ mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen. Über die Frage nach dem Amt des Senatsbaudirektors wurde im einzelnen noch nicht entschieden. Bislang wurde unter Verwaltungs- und Haushaltsgesichtspunkten diskutiert, noch nicht baupolitisch.

Braucht man das Amt des Senatsbaudirektors noch ­ angesichts der baupolitischen Entwicklung?

Das Amt des Senatsbaudirektors als oberster öffentlicher Bauherr hat in Berlin eine lange Tradition. In der Vorkriegszeit hat es das Amt gegeben und seine Berechtigung hat es sicherlich auch in der Hochzeit der Bauinvestitionen in Berlin gehabt. Zukünftig aber werden die öffentlichen Bauaufgaben in Berlin stark zurückgehen. Hinzu kommt, daß sich Berlin während der stadtentwicklungspolitischen Ära der großen Koalition extrem übernommen hat. Man denke nur an die städtebaulichen Entwicklungsgebiete, wie die Wasserstadt Oberhavel oder man denke an das Planwerk Innenstadt, für City Ost und West. In etlichen Fällen kann man bereits jetzt sagen, daß das, was realisiert wurde, deutlich über dem Bedarf lag und das, was weiterhin noch geplant wird, nicht zeitgemäß ist. Überzogene Bauprojekte haben wesentlich zur Haushaltskrise beigetragen ­ die Entwicklungsgebiete mit Defiziten zwischen 1,7 bis zwei Milliarden Mark haben große Finanzlöcher gerissen. Infolgedessen wird es baupolitisch deutliche Einschnitte geben. Diese werden einhergehen mit Einschnitten in der Verwaltung.

An Stimmann wurde schon des öfteren kritisiert, er kümmere sich nur um die prestigeträchtigen Bauprojekte der Innenstadt. Hat dieser Aspekt dazu beigetragen, daß sein Amt nun zur Disposition steht?

Hans Stimmann verstand sich immer insbesondere als Vertreter der Kritischen Rekonstruktion der Innenstadt. Schon in seiner Amtszeit als Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben wir ihm vorgeworfen, daß die Stadt mehr ist, als die Innenstadt ­ er sich aber für den „Rest der Stadt" nie interessiert hat. Als er 1999 erneut Senatsbaudirektor wurde, hat er die Ernennung als Bestätigung seiner bisherigen Politik verstanden. Auch in diesem Amt konzentrierte er sich ausschließlich auf Innenstadtprojekte, hauptsächlich auf die Realisierung der Planwerksziele. Zehn Jahre Amtszeit haben eine sehr deutliche Handschrift Stimmanns hinterlassen. Viele teilen die Auffassung, daß diese „Epoche" nun beendet ist ­ und Berlin sich nun anstelle dessen auf seine „Hausaufgaben" konzentrieren muß.

Wie kostenintensiv ist zum Beispiel das Planwerk?

Bislang kostet es vor allem den Verwaltungsaufwand der Senatsverwaltung. Die Realisierungserfolge sind ja bisher noch eher bescheiden. Was die tatsächliche Umsetzung jedoch an Mitteln fordern würde, ist noch gar nicht abzusehen. Angeblich sollte es ja kostenneutral funktionieren ­ durch Einnahmen aus dem Verkauf öffentlichen Baulandes könne demnach der Bedarf an neuer Infrastruktur finanziert werden. Der Nachweis dieser Kostenneutralität ist bisher aber noch nicht erbracht worden. Die einzige Ausschreibung, die auf der Grundlage des Planwerks Ende vorigen Jahres entschieden wurde ­ an der Friedrichwerdeschen Kirche ­ hat einen sehr hohen Bodenpreis erbracht. Allerdings war der Ort völlig unproblematisch, da hier keinerlei neue Infrastruktur geschaffen werden muß. An vielen anderen Planwerkprojekten wäre dieser Aufwand dagegen sehr hoch, zum Beispiel am Alextunnel oder am Spittelmarkt. Gegen die Kosten, die eine Verwirklichung des Planwerks wahrscheinlich verursachen würde, sind die bisherigen Summen für Promotion und Verwaltung nur ein ganz geringer Bruchteil.

Daß durch das Planwerk erschwingliches Wohnen in der Innenstadt ermöglicht werde, hat sich am Beispiel der Friedrichwerderschen Kirche auch nicht gezeigt.

Wird ihm das Planwerk Innenstadt auf die Füße fallen?

Ich meine ja. Die Kritik am Planwerk ist nie abgerissen. Der allumfassende Anspruch des Planwerks, die Stadt flächendeckend umzuformen, ist vielfach nicht auf Gegenliebe gestoßen. Gerade wenn intakte und gut angenommene Baustrukturen, etwa an der Karl-Marx-Allee, überformt werden sollen. Oder wenn der Freiraum zwischen Fernsehturm und Palast der Republik überbaut werden soll. Nach dem Ende der Nachwendeeuphorie war das Planwerk der Versuch, noch einmal einen großen Wurf zu machen. Dabei wurden zwar einige richtige Fragen gestellt, etwa die nach Verkehrskonzepten in der Innenstadt. Ein zentraler Kritikpunkt aber ist der herrische Gestus, der Anspruch eines kleinen Stabs aus der Senatsverwaltung, ein so umfassendes Konzept zu bestimmen. Zum einen wurde die Diskussion darum inszeniert, nachdem die Entscheidung eigentlich schon gefallen war, zum anderen hat es seit der Beschlußfassung im Mai 1999 keine parlamentarische Auseinandersetzung um das Planwerk mehr gegeben. Dieser Senatsbeschluß wird nun als Legitimation für jegliches Handeln der Verwaltung verwendet.

Sie sagten „herrischer Gestus" ­ der wird dem Senatsbaudirektor von vielen nachgesagt.

Hans Stimmann hat es immer sehr gut verstanden, sich sogar bei seinen Unterstützern unbeliebt zu machen. Weil er nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen und in seinem politischen Stil oft herablassend ist. Das fand seinen Niederschlag auch in seiner Art und Weise, das Amt des Senatsbaudirektors zu führen. Akteure, die neben dem Baudirektor für Baukultur stehen, hat er aus den Entscheidungsfindungsprozessen herausgehalten: die Architektenkammer, Bezirksvertreter, Bürgerinitiativen. Ich glaube kaum, daß zum Beispiel die Vertreter der Architektenkammer mit seinem Stil, Wettbewerbe durchzuführen, sehr glücklich sind.

Hans Stimmann hat sich selbst einmal als „ein bißchen grob" bezeichnet. Hat er sich in letzter Zeit Feinde gemacht?

Womit er sich derzeit wenig Freunde macht, ist die Diskussion um das Spreedreieck mit dem Tränenpalast. Auf seine Initiative ist hier der Tausch mit den „Reinhardt-Erben" zustande gekommen. Damit die Erben der Bodenansprüche auf das Deutsche Theater diese nicht mehr geltend machen sollten, wurde ihnen als Ersatzbaugrundstück das Spreedreieck angeboten. Daß der Senatsbaudirektor dort kompromißlos auf einer dreieckigen Blockbebauung besteht, tolerierte die große Koalition bislang, obwohl bekannt ist, daß sie sehr umstritten ist. Nun hat die CDU einen Antrag gestellt, zugunsten einer Machbarkeitsstudie für eine Hochhausbebauung alles zurückzustellen. Wir dagegen waren immer der Auffassung, daß der Tränenpalast und der grüne Bahnhofsvorplatz ein sehr schöner Auftakt für die dicht bebaute Friedrichstadt sind.

Zum Bauvorhaben am Platz vor dem Hotel unter den Linden in der Friedrichstraße hat es sehr deutliche kritische Stimmen gegeben, die den Erhalt einer der letzten unbebauten Plätze in der Friedrichstadt anmahnten. Auch hier ist ziemlich klar, daß Stimmann dem zum Trotz entweder einen Block vor das Hotel setzen oder aber das Hotel abreißen lassen will, zugunsten eines Neubaus.

Über das Ahornblatt wurde vielgeschrieben. Hier versteckt sich Stimmann dahinter, daß der Abriß Bezirksbeschluß gewesen sei. Er entspricht jedoch erstaunlich genau den Planwerkszielen.

Es ist kein Geheimnis, daß namhafte internationale Architekten seinetwegen nicht mehr nach Berlin kommen. Libeskind zum Beispiel.

Das ästhetische Spektrum, daß er zuläßt, ist sehr begrenzt. Wer nicht hineinpaßt, wird sich nicht freiwillig unbegrenzt viele Niederlagen einhandeln.

Wird die Frage um Hans Stimmann als Senatsbaudirektor eine Koalitionsfrage sein?

Nach meiner Auffassung: ja. Für die PDS ist er als Senatsbaudirektor sehr strittig. In unserem Antrag, in dem wir die Abschaffung des Senatsbaudirektors fordern, haben wir auch ihn als Person vor Augen. Wenn es nach den Wahlen zu Gesprächen kommt, werden wir sagen müssen, daß wir es uns kaum vorstellen können, mit ihm eine gemeinsame Plattform zu finden.

Interview: Tina Veihelmann

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