Ausgabe 03 - 2001 berliner stadtzeitung
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Guten Tag, mein Name ist Hase, was kann ich für Sie tun?

Beschäftigte von Call-Centern gehen in die Offensive

Die rund 70 Menschen, die sich im Berliner Stadtteilzentrum Kato versammelt hatten, repräsentierten im Outfit die momentan angesagten Modeströmungen, vom Modepunk über den HipHopper bis zum Gruftie. Sie alle waren gekommen, um sich mit einem in diesen Kreisen eigentlich eher altmodischen Thema zu beschäftigen. "Grenzen und Möglichkeiten von Betriebsratsarbeit in Call- Centern mit überwiegend prekär Beschäftigen" hieß der Titel, der von der Call-Center-Offensive (CCO) organisierten Veranstaltung. Die CCO ist in den Wochen sehr gefragt. Auf gleich drei Berliner Veranstaltungen waren ihre Mitglieder in der letzten Woche vertreten.

Angesprochen fühlte sich jedesmal ein eher subkulturell orientiertes Milieu, das sich bisher dem Kampf gegen Nazis und Rassismus widmete, der soziale Frage aber kaum Aufmerksamkeit schenkte. Viele haben ihren Lebensunterhalt mit Kurzzeitjobs in Call-Centern verdient und dabei frühkapitalistische Arbeitsbedingungen ohne Tarifverträge und geregelten Urlaub in Kauf genommen.

Doch in den letzten Monaten scheint sich das zu ändern. Bei den Call-Centern "AudioService" und "Hotline" wurde der Versuch einer Betriebsratswahl im Vorfeld verhindert, indem den vermeintlichen Rädelsführern gekündigt wurde. Doch ob die Gründung von Betriebsräten überhaupt die richtige Orientierung ist, war auf der Veranstaltung am Donnerstag durchaus nicht unumstritten. Zwei Betriebsräte des Call-Centers "Viafon", wo ausschließlich Studierende mit Rahmenverträgen beschäftigt sind, beschrieben ihre Motivation, aber auch ihre Funktion im Betrieb. Es gehe darum, sich für die Rechte der Arbeitenden stark zu machen und auch bei möglichen Konflikten eine Pufferrolle zu spielen, berichteten sie. Den Mitgliedern einer aus dem anarchistischen Wildcat-Spektrum stammenden bundesweiten Initiative von Call-Center-Beschäftigten war dieser Ansatz zu defensiv. Durch die Betriebsräte würden Konflikte im Vorfeld befriedet, kritisierten sie. Als Alternative schlugen sie Aktionen der Beschäftigten vor, die nicht nur bei Lohnerhöhungen stehen bleiben, sondern die Arbeitsbedingungen insgesamt thematisieren sollen. Dem hielten die Betriebsräte entgegen, dass ein Großteil der Call-Center-Beschäftigen, gerade weil es sich größtenteils um Studierende handelt, die diese Tätigkeiten nur eine begrenzte Zeit auszuüben gedenke, zu einer fundamentalen Infragestellung der Arbeitsbedingungen nicht bereit seien. Jörg Urban von der CCO drückte die Situation noch drastischer aus: "Gerade studierenden Agents, wie die Call-Center-Mitarbeiter heißen, lassen fast alles mit sich machen, haben keine Ahnung von Mindestrechten und -ansprüchen und fungieren so in diesem Bereich klar als Lohndrücker. Man habe bisher keine Kontakte zum DGB, weil sich noch nicht die Gelegenheit dazu ergeben habe, erklärten die "Viafon"-Betriebsräte. Die Gewerkschaften hätten das Thema bisher verschlafen, übten sich auch einige anwesende IG-Medien-Jungfunktionäre in Selbstkritik. Wenn auch mancher gestandene Gewerkschaftler die CCO schon mal als Sozialromantiker verlache, gehe es nicht um eine Konfrontation Call-Center-Offensive versus DGB.

Auch CCO-Aktivist Jörg Urban sieht eine größere Offenheit für die Zustände in den Call-Centern vor allem bei der Postgewerkschaft und den IG-Medien. Auch in seiner Organisation sei die Haltung zu den Gewerkschaften nicht unumstritten, wenn man auch eine pragmatische Umgangsweise pflege. "Zur Rechtsberatung und bei anstehenden Klagen schicken wir Hilfesuchende zu den Gewerkschaften", bekräftigte Urban.

Einige Besucher vermissten am Ende der Veranstaltung konkrete Strategien zur Gegenwehr von Call-Center-Beschäftigen. Doch die wurden auf die regelmäßigen CCO-Treffen verwiesen.

Peter Nowak

info@callcenteroffensive.de
www.callcenteroffensive.de

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