Ausgabe 12 - 2000 berliner stadtzeitung
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Berlin, 14. Dezember 1900

Aus dem Vortrag Max Plancks auf der Berliner Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft am 14. Dezember 1900. Dieser Vortrag war die erstmalige Formulierung der Quantentheorie. Sie enthält die wichtigsten der heute bekannten physikalischen Naturgesetze. h wurde später zu Ehren des Nobelpreisträgers als Plancksches Wirkungsquantum bezeichnet.

„Entropie bedingt Unordnung, und diese Unordnung glaubte ich erblicken zu müssen in der Unregelmässigkeit, mit der auch im vollkommen stationären Strahlungsfelde die Schwingungen des Resonators ihre Amplitude und ihre Phase wechseln, sofern man Zeitepochen betrachtet, die gross sind gegen die Zeit einer Schwingung, aber klein gegen die Zeit einer Messung. Die constante Energie des stationär schwingenden Resonators ist danach nur als ein zeitlicher Mittelwert aufzufassen, oder, was auf dasselbe hinauskommt, als der augenblickliche Mittelwert der Energien einer grossen Anzahl von gleichbeschaffenen Resonatoren, die sich im nämlichen stationären Strahlungsfelde weit genug entfernt voneinander befinden, um sich nicht gegenseitig direct zu beeinflussen. Da somit die Entropie eines Resonators durch die Art der gleichzeitigen Energieverteilung auf viele Resonatoren bedingt ist, so vermutete ich, dass sich die Grösse durch Einführung von Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen, deren Bedeutung für den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik Hr. L. Boltzmann zuerst aufgedeckt hat, in die elektromagnetische Theorie der Strahlung würde berechnen lassen müssen. Diese Vermutung hat sich bestätigt; es ist mir möglich geworden, einen Ausdruck für die Entropie eines monochromatisch schwingenden Resonators, und somit auch für die Verteilung der Energie im stationären Strahlungszustand, d. h. im Normalspectrum, auf deductivem Wege zu ermitteln, wobei es nur nötig wird, der von mir in die elektromagnetische Theorie eingeführten Hypothese der „natürlichen Strahlung" eine etwas weitergehende Fassung zu geben als bisher. Ausserdem aber haben sich hierbei noch andere Beziehungen ergeben, die mir für weitere Gebiete der Physik und auch der Chemie von erheblicher Tragweite zu sein scheinen.

In einem von spiegelnden Wänden umschlossenen diathermanen Medium mit der Lichtfortpflanzungsgeschwindigkeit c befinden sich in gehörigen Abständen voneinander eine grosse Anzahl von linearen monochromatisch schwingenden Resonatoren, und zwar N mit der Schwingungszahl v (pro Secunde) [...]. Das System enthalte eine gegebene Menge Energie: Die Totalenergie E, die teils in dem Medium als fortschreitende Strahlung, teils in den Resonatoren als Schwingung derselben auftritt. Die Frage ist, wie sich im stationären Zustand diese Energie auf die Schwingungen der Resonatoren und auf die einzelnen Farben der in dem Medium befindlichen Strahlung verteilt und welche Temperatur dann das ganze System besitzt.

Wenn E als unbeschränkt teilbare Grösse angesehen wird, ist die Verteilung auf unendlich viele Arten möglich. Wir betrachten aber ­ und dies ist der wesentlichste Punkt der ganzen Berechnung ­ E als zusammengesetzt aus einer ganz bestimmten Anzahl endlicher gleicher Teile und bedienen uns dazu der Naturconstanten h = 6,55.10-27 [erg x sec]. Diese Constante mit der gemeinsamen Schwingungszahl v der Resonatoren multiplicirt ergiebt das Energieelement epsilon in erg, und durch Division von E durch epsilon erhalten wir die Anzahl P der Energieelemente, welche unter die N Resonatoren zu verteilen sind. Wenn der so berechnete Quotient keine ganze Zahl ist, so nehme man für P eine in der Nähe gelegene ganze Zahl.

Nachdem so die stationäre Energieverteilung mit Hülfe der einen Constante h ermittelt ist, findet man die entsprechende Temperatur in Celsiusgraden mittels einer zweiten Naturconstanten k = 1,346.10-16 [erg : grad] mittels einer entsprechenden Gleichung.

Im übrigen basirt die ganze Deduction auf dem einen Satz, dass die Entropie eines Systems von Resonatoren mit gegebener Energie proportional ist dem Logarithmus der Gesamtzahl der bei dieser Energie möglichen Complexionen, und dieser Satz lässt sich seinerseits zerlegen in zwei andere: 1. dass die Entropie des Systems in einem bestimmten Zustand proportional ist dem Logarithmus der Wahrscheinlichkeit dieses Zustandes, und 2. Dass die Wahrscheinlichkeit eines jeden Zustandes proportional ist der Anzahl der ihm entsprechenden Complexionen, oder mit anderen Worten, dass irgend eine bestimmte Complexion ebenso wahrscheinlich als irgend eine andere bestimmte Complexion. Der 1. Satz kommt, auf Strahlungsvorgänge angewandt, wohl nur auf eine Definition der Wahrscheinlichkeit eines Zustandes hinaus, insofern man bei der Energiestrahlung von vornherein gar kein anderes Mittel besitzt, um die Wahrscheinlichkeit zu definiren, als eben die Bestimmung der Entropie.

Alle diese Beziehungen beanspruchen, wenn die Theorie überhaupt richtig ist, nicht annähernde, sondern absolute Gültigkeit. Daher fällt die Genauigkeit der berechneten Zahlen wesentlich mit derjenigen der relativ unsichersten, der Strahlungsconstanten k, zusammen, und übertrifft somit bei weitem alle bisherigen Bestimmungen dieser Grössen. Ihre Prüfung durch directere Methoden wird eine ebenso wichtige wie notwendige Aufgabe der weiteren Forschung sein".

Herausgesucht von Falko Hennig

(Leserbriefe bitte direkt an den Autor!)

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