Ausgabe 12 - 2000 berliner stadtzeitung
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Soziale Stadterneuerung gerät ins Rutschen

Mietobergrenzen in den Sanierungsgebieten in Frage gestellt

Die Baustadträte der östlichen Bezirke schlagen Alarm: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat einem Widerspruch der WIP gegen die fünfjährige Mietobergrenze stattgegeben. Die Wohnungsbaugesellschaft will sich nicht vom Bezirksamt Prenzlauer Berg darauf verpflichten lassen, in Sanierungsgebieten die Mieten nach einer Modernisierung fünf Jahre lang nicht über die festgelegten Mietobergrenzen steigen zu lassen.

Im Einzelfall ging es um das Haus Oderberger Straße 1/Schönhauser Allee 153 im Sanierungsgebiet Teutoburger Platz, doch Mittes Baustadtrat Thomas Flierl (PDS) befürchtet: „Wenn sich das herumspricht, wird das eine Lawine auslösen." In ähnlichen Fällen müsse genauso entschieden werden, was das Aus für die fünfjährige Mietbeschränkung bedeuten würde. Die Senatsverwaltung monierte, dass die Mietenentwicklung für die Eigentümer nicht kalkulierbar sei, da die Höhe der Mietobergrenze nach drei Jahren überprüft und eventuell verändert wird. Senator Strieder befürchtet, dass durch die langfristige Bindung der Mieten die Sanierungstätigkeit zum Erliegen kommt, und befürwortet daher eine nur einjährige Mietbegrenzung.

Dass sich diese Bedenken statistisch ausräumen lassen, ist sich Dorothee Dubrau (für Bündnis 90/Grüne) sicher. Die Investitionen seien in den Sanierungsgebieten nach dem Erlass der fünfjährigen Mietbeschränkung keineswegs zurückgegangen. „Strieders wahnsinnige Angst vor Kreuzberger Verhältnissen ist unbegründet", meint die Baustadträtin von Prenzlauer Berg, „die einjährige Mietobergrenze bietet für Mieter hingegen keine Perspektive." Auch ihr Lichtenberger Kollege Andreas Geisel (SPD) hält den kurzen Bindungszeitraum für „überhaupt nicht hilfreich". Das bewirke nur eine zeitliche Verschiebung der Verdrängung, so Geisel. Werner Oehlert von der in Friedrichshain tätigen Mieterberatungsgesellschaft ASUM berichtet, dass in den Jahren zwei bis vier nach der Sanierung 40 Prozent der Bewohner eines Hauses auszögen. Eine längerfristige Mietbegrenzung sei deshalb erforderlich. „Die sozialen Aspekte der Stadterneuerung geraten zunehmend in den Hintergrund", so Oehlert. „Es gibt in den Sanierungsgebieten immer noch eine Klientel, die Marktmieten nicht zahlen können", sagt Andreas Geisel, „irgendwo müssen die Leute wohnen." Er befürchtet, dass diese Ausgeschlossenen an den Stadtrand abgeschoben werden. „Eine Ghettoisierung wollen wir verhindern", sagt der Pankower Stadtrat Andreas Bossmann (PDS). Thomas Flierl sieht Parallelen zwischen der Vorliebe des Senats für das Quartiersmanagement und der derzeitigen Aushöhlung der Sanierungspraxis.

In einem gemeinsamen Brief riefen die Baustadträte der betroffenen Bezirke Dubrau, Flierl, Geisel, Bossmann und Martina Albinus (Friedrichshain) Senator Strieder auf, seine Entscheidung zu revidieren. „Obwohl Strieder in der Öffentlichkeit die gleichen Ziele verfolgt wie wir, fällt er uns in den Rücken", sagt Dorothee Dubrau.

Jens Sethmann

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