Ausgabe 11 - 1999 | berliner stadtzeitung scheinschlag |
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Wolle mer se reinlosse?Andere Länder - andere Sitten. Einer Weltstadt wie Berlin steht es gut zu Gesicht, fremden Kulturen und Gebräuchen aufgeschlossen gegenüberzutreten. Im Umgang mit der zugewanderten Ethnie aus dem Rheinland ist der Berliner allgemein noch etwas unsicher. Um das interkulturelle Miteinander zu fördern und Mißverständnissen vorzubeugen, erläutern wir die Grundbegriffe des wichtigsten rheinischen Rituals, des Karnevals: 11.11. 11 Uhr 11: Beginn der närrischen Saison, endet erst Monate später am ->Aschermittwoch. Dazwischen liegen viele Sitzungen mit viel Alkohol Aschermittwoch: ist alles vorbei, die Vorbereitungen für den nächsten ->11.11. beginnen. Büttenrede: Laienreimerei, meist zu lang und strunzlangweilig (siehe Beispiel rechts). Tätä-Tusch kommt nach schwer erkennbaren Pointen. Bützchen: feuchte Zumutung mit alkoholischer Ausdünstung. Dreigestirn (nur in Köln): Prinz, Bauer, Jungfrau; sind immer dabei, die Jungfrau ist immer ein Mann, wird aber als dralles Landweib mit Gretchenzopfperücke verkleidet. Elferrat: Altherrenriege mit ->Narrenkappen, die eigentliche Karnevalsjunta auf den Prunksitzungen, fragt ständig "Wolle mer se reinlosse?", lassen leider alle rein. Funkemariechen: reagieren sofort auf den Befehl "Funkemariechen! Tanz!", schmeißen die Beine hoch und noch höher. Blonde Perücken, Stiefelchen und kurze Röcke gehören zur Uniform. Traditionelle Vertreterinnen des Aerobic-Kurses. Kamelle: fliegende Klümpchen. Karnevalshits: saisonal wechselnd. Dauerbrenner: "Es gibt kein Bier auf Hawaii", "Da steht ein Pferd auf dem Flur", "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei" gehen alle zurück auf den Ur-Karnevalsschlager "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad". Konfetti: wird vorzugsweise mit Kanonen verschossen. Verursacht bei den Getroffenen hysterisches Juchzen. Heinz Schenk: hessischer ->Willy Millowitsch, lebt noch. Helau/Alaaf: pawlowsche Massenreaktion auf die Ausrufung des Städtenamens. Narrenkappe: Erkennungszeichen, daß der Träger weiß, was er tut. Narrhallamarsch: Tätätää, tätätää, tättärättä täätäätä. Prinz: muß Geld haben, Fasanenfedern oben, untenrum Pumphosen, schmeißt die meisten ->Kamelle, wird von der ->Prinzessin begleitet. Prinzessin: muß auch Geld haben, schmeißt auch ->Kamelle, winkt viel, oft blond. Rheinischer Frohsinn: die Pest, und unausrottbar. Biologen an der Universität Köln forschen fieberhaft nach dem Karnevalsgen. Rosenmontag: arbeitsfrei, ARD/ZDF übertragen die Züge aus Köln, Düsseldorf und Mainz. Zwei Tage später ist immer ->Aschermittwoch. Schunkeln: ohne Ansehen die Ellebogen unterhaken bei den Nachbarn und möglichst einheitlich nach rechts und links den Oberkörper schaukeln. Kann im Stehen und Sitzen ausgeführt werden. Im Fernsehen schunkeln die hintereinandersitzenden Reihen immer abwechselnd nach links oder rechts, damit dem Zuschauer nicht schlecht wird. StäV: angebliche Berliner Karnevalshochburg und ganzjähriges Auffanglager für Vertriebene. Der eine Betreiber, Friedel Drautzburg, heimlicher Minister für Gastronomie, wird von Einheimischen zum "Verpissen" aufgefordert. Der andere Betreiber, Harald Grunert, regiert zur Zeit als Karnevalsprinz Harald I Berlin. Weiberfastnacht: Donnerstag vor ->Aschermittwoch, Frauen benehmen sich anders als sonst, schneiden Männern Schlipse ab; Männer benehmen sich auch anders als sonst, ziehen alte Schlipse an. Willy Millowitsch: feiert im Himmel 365 Tage Karneval. Besser als ->Heinz Schenk. Zoch: richtig "dr Zoch kütt". Demonstrationszug für ->rheinischen Frohsinn. Ernste Angelegenheit. Berliner BüttenredeAm ölften Ölften, ölf Uhr ölf, Mitta Rejierung sind se anjekomm, (Kapelle: Tätä, tätä, tätää!) Die Rheinländer ham fremde Sitten: (Tätä,tätä,tätää!)
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