Ausgabe 09 - 1999berliner stadtzeitung
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Spiel mir das Lied vom traurigen Samstag

"Ein Lied von Liebe und Tod" von Rolf Schübel

Als "Hymne der Selbstmörder" gelangte Mitte der 30er Jahre "Das Lied vom traurigen Sonntag" von einem Budapester Restaurant aus zu tragischem Weltruhm. Ob die traurige Ballade auch heute noch die gleiche Wirkung hat wie damals, lässt sich jetzt im Kino überprüfen.

Budapest 1937. Spätestens als Andr‡s (Stefano Dionisi), Pianist im Restaurant "Szabo", der (wirklich!) engelhaften Ilona (Erika Maroszan) sein "Lied vom traurigen Sonntag" verehrt, weiß Restaurantinhaber Laszló Szabó (Joachim Król), dass er von nun an ihre Liebe wird teilen müssen - und er ist klug und großherzig genug, die neuen Verhältnisse (fast) klaglos zu akzeptieren.

Für die linkischen Liebesbekundungen des deutschen Touristen Hans Wieck (Ben Becker) ist in diesem Arrangement kein Platz. Doch als er drei Jahre später als SS-Standartenführer zurückkehrt, weiß er seine Macht zu nutzen.

Nein, die hässlichen Deutschen poltern nicht mit zackigen Naziparolen durch die romantische Liebesgeschichte. Nur die eingeschränkte Speisekarte beeinträchtigt die gediegene Atmosphäre im Restaurant "Szabo". Und Laszló, dem die Gesetze der Kochkunst immer noch vertrauter sind als seine jüdischen Glaubensregeln, bewahrt auch vor den neuen Gästen Haltung, ohne sich jemals erniedrigen zu lassen. Erst als ihm klar wird, dass Hans zwar nicht um das Wohl der Partei, aber dafür um so mehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, bricht das alltägliche äußere Grauen in seine heile Welt ein.

Das klingt so gefühlsbeladen, und so ist auch der Film. Dass das nicht peinlich berührt , ist zum einen seinen Darstellern, allen voran Joachim Król, zu verdanken, der sich so sicher auf dem Edelparkett bewegt, als wäre er in Nadelstreifen zur Welt gekommen. Ben Becker gelingen schauspielerisch auch die leisen Töne.

Zum anderen gebührt dem an Dokumentarfilmen wie "Rote Fahnen sieht man besser" geschulten Regisseur Rolf Schübel Lob für seine wohltuend schnörkellose Inszenierung. Und dass er, in Erweiterung der Romanvorlage die NS-Machenschaften hinter der Liebe zurücktreten lässt, ist in Zeiten in denen andere Regisseure "Nichts als die Wahrheit" zu verkünden haben, nicht die schlechteste Variante der Auseinandersetzung mit der unrühmlichen Vergangenheit.

Einzig "Das Lied vom traurigen Sonntag" wird einem etwas zu oft zu Gehör gebracht, um die eingangs erwähnten Folgen für das Seelenwohl nachvollziehen zu können. Aber das hat ja auch was Beruhigendes.
go

Kinostart 21. Oktober

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