Ausgabe 01 - 1999berliner stadtzeitung
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Räumung einkalkuliert

Weil der Eigentümer der Grundstücke Köpenicker Straße 137 und 138 hoch verschuldet ist, soll das Gelände zwangsversteigert werden. In einem Gutachten wird das autonome Kulturzentrum "Köpi 137" trotz bestehender Mietverträge als besetztes Gebäude deklariert. Die BewohnerInnen fürchten deshalb um die Zukunft ihres Projektes.

In der zerrissenen Stadtlandschaft um die Köpenicker Straße im Bezirk Mitte, nahe an der Grenze zu Kreuzberg zwischen Brachgrundstücken, grauen Gewebegebäuden und einigen Wohnhäusern gelegen, hat der Anblick immer etwas Monumentales: Weit abgelegen von Nachbargebäuden und von der Straße abgesetzt steht dort das Haus Köpenicker Straße 137 - ein imposantes Gebäude, einstmals Teil eines größeren Komplexes. Jetzt ist nur noch der Rumpf übriggeblieben, man kann zum Teil noch die Mauerfragmente der angrenzenden, schon lange nicht mehr existierenden Gebäudeteile erkennen. An einer der riesigen, weithin sichtbaren Brandwände ist das Zitat des CDU-Politikers Landowsky aufgesprüht, in der den "Ratten", die das neue, saubere Hauptstadtberlin verunglimpfen, der Kampf angesagt wird.

Leute wie Landowsky sähen wohl auch das seit nunmehr neun Jahren auf dem Gelände ansässige autonome Kulturzentrum Köpi 137 lieber heute als morgen verschwinden. Denn schließlich ist das Zentrum einer der wichtigsten Orte, in denen linke und autonome Gruppen in dieser Stadt politische Arbeit organisieren, unter anderen auch zu der mit der Hauptstadtwerdung verbundenen zunehmenden Saubermannpolitik.

Doch die Köpi ist auch ein wichtiger Ort der Begegnung für diejenigen, die nach einer Alternative zum kommerzialisiertem Entertainment suchen: Unter der Stuckdecke im Erdgeschoß, die trotz der Spuren der Zeit immer noch die prachtvolle Vergangenheit erahnen läßt, finden Konzerte und Parties statt, es gibt billiges Essen, Theater und Kulturveranstaltungen.

Alte Pläne erstmal gescheitert

Doch wie schon öfters in der Geschichte dieses Projektes ist die weitere Zukunft unsicher. Zwar wurden schon vor einiger Zeit Mietverträge abgeschlossen, doch nach Besitzerwechseln wurden diese wieder in Frage gestellt. Der letzte Eigentümer, Volkward Petersen, hatte große Pläne, er wollte sich mit den Eigentümern der brachliegenden Nachbargrundstücke zusammentun, um die "Sonnenhöfe", einen großen Wohn- und Gewerbekomplex, zu errichten. Die Köpi selbst sollte im Innenhof dieses Komplexes als restaurierter Altbau stehenbleiben. Mit der Begründung, sie seien mit der Miete im Rückstand, schickte er damals Kündigungen an BewohnerInnen des Hauses.

Petersen ist mit seinen Plänen badengegangen, er ist hochverschuldet, deshalb setzte das Amtsgericht Mitte im April letzten Jahres den Anwalt Anton Meichsner als Zwangsveralter für die Grundstücke Köpenicker Straße 137 und 138 ein. Nun sollen die Grundstücke am 16. Februar zwangsversteigert werden.

"Auch Abriß wäre vertretbar"

Um die kommerzielle Verwertbarkeit für potentielle Käufer zu prüfen, wurde vom Sachverständigenbüro Bernd Scheiner ein Gutachten erstellt. Darin heißt es, das Haus sei in "einem verwahrlosten Zustand, so daß eine Vermietbarkeit als Wohnhaus nicht gegeben ist... Auch ein Abriß wäre wirtschaftlich vertretbar." Zu den derzeitigen BewohnerInnen heißt es in dem Papier: "Ursprünglich wurde ein Teil des Kellers und das Erdgeschoß gastgewerblich, die Obergeschosse als Wohnungen genutzt, zur Zeit werden die Wohnungen durch Hausbesetzer als Unterkunft genutzt." Kaufwillige bekommen in dem Gutachten dann auch gleich eine Kalkulation geliefert, was es kostet, die Grundstücke für Investitionen besenrein zu machen: "Sowohl die Räumung von den Hausbesetzern als auch die vermutlichen Altlasten wegen Bombenschäden verursachen Zusatzkosten, die pauschal mit ca. 100000 DM eingeschätzt werden."

Eine Stellungname des Gutachters, inwieweit es sowohl gegenüber Kaufinteresenten als auch gegenüber den Hausbewohnern vertretbar ist, trotz bestehender Verträge von "Hausbesetzern" und deren möglicher Räumung zu sprechen, war bislang nicht zu erhalten. Ein Käufer, der sich der Hoffnung hingibt, hier ein Gelände erstanden zu haben, dessen bisherige Nutzer er sich möglichst schnell entledigen kann, könnte sich bei diesem Geschäft ziemlich täuschen. Selbst im Büro des Zwangsverwalters Meichsner bestätigt man, daß es legale Mietsverhältnisse für das Haus gibt. "Mit dem Gutachten haben wir nichts zu tun, der Gutachter wurde direkt vom Amtsgericht Mitte beauftragt", erklärt Frau Spangenberg vom Büro Meichser. Den Versteigerungstermin am 16. Februar bestätigt sie, allerdings sei es "längst noch nicht sicher, ob das Gelände dann gleich an diesem Termin versteigert wird", schränkt sie ein.

Lukrative Verwertungsmöglichkeiten

Wenn sich doch ein Käufer findet, könnte der Druck auf die Köpi 137 zunehmen, denn wie die Erfahrungen aus anderen Häusern zeigen, sind auch legale Mietsverhältnisse kein Hinderungsgrund für Investoren, Mieter aus den Häusern zu drängen. Und die Verwertungsmöglichkeiten für das Grundstück sind groß. "Das Gebiet um die Köpenicker Straße ist als Mischgebiet ausgewiesen, es kann also bis zu 50 Prozent Gewerbenutzung stattfinden", erläutert Frau Mertens vom Stadtplanungsamt Mitte. Und: "Obwohl wir versuchen, Abrisse zu verhindern, könnte ein Investor, da das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, auch abreißen."

Michael Philips

Termine zum Erhalt des Kulturzentrums Köpi 137 : 13.2. Herrmannplatz, 14 Uhr: Demonstration für den Erhalt der Köpi 137 16.2. Amtsgericht Mitte, Littenstraße, 9 Uhr: Kundgebung gegen die Versteigerung des Hauses 19.2. Köpenicker Straße 137: Party 9 Jahre Köpi mit Bands, diversen DJs und Performances

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