Ausgabe 06 - 1998berliner stadtzeitung
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Null Toleranz für "Zero Tolerance"

Bahnhöfe sollen ein Schwerpunkt der Innenstadtaktion 98 werden

In diesem Jahr werden zum zweiten Mal Innenstadtaktionstage stattfinden. Vom 1.-7. Juni wird wie schon im letzten Jahr zu vielfältigen Aktionen gegen Privatisierung, Sicherheitswahn und Ausgrenzung in den Innenstädten aufgerufen. Im Juni 97 haben verschiedene Gruppen in 19 Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gleichzeitig die Innenstadtaktionstage durchgeführt.

Zur Vorbereitung der diesjährigen Innenstadtwoche hat die Aktionsgruppe zunächst die 97er Demonstration kritisch bilanziert: Die spaßigen Aktionen hatten allgemein ein wohlwollendes Medienecho, eine große Breitenwirkung blieb jedoch aus. Kritisiert wurde auch, daß die Proteste zu sehr auf symbolische Aktionen begrenzt waren und der überregionale Anspruch auf der Strecke blieb. Das alles soll in diesem Jahr verbessert werden.

Die Notwendigkeit für Innenstadtaktionen ist seitdem jedenfalls noch beträchtlich gestiegen. Die Berliner Polizei hat mittlerweile mindestens 30 Orte zu "gefährlichen Orten" erklärt und eine Reihe neuer "Operativer Gruppen" gebildet. Allein im vergangenen Jahr erteilten Polizei und private Sicherheitsdienste in Berlin insgesamt 224220 Platzverweise und Hausverbote auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen. Derweil erklärte das Bundesinnenministerium das Jahr 1998 zum "Sicherheitsjahr", in dem gegen alle Delikte entschlossen vorgegangen werden soll, auch und besonders gegen die sogenannte Alltagskriminalität. Dazu zählt Innenminister Kanther "Alkoholismus, Pennertum, aggressives Betteln und Skateboardertum" - alles Dinge, die in keiner Weise verboten sind. In Potsdam wird zur Zeit die Forderung des Polizeipräsidenten nach "alkoholfreien Zonen" zur Bekämpfung der Jugendkriminalität in den Städten ernsthaft diskutiert. Die CDU ist entschlossen, mit ihrem Stammtisch-Populismus die Innere Sicherheit zum Wahlkampfthema zu machen. Die anderen mögen da nicht zurückstehen: Die Forderung nach mehr Polizei auf den Straßen findet sich im Repertoire aller Parteien.

Ein Schwerpunkt der Innenstadtaktion 98 werden die Bahnhöfe sein. In fast allen größeren Städten werden die Bahnhöfe zu "Kaufhäusern mit Gleisanschluß" umgebaut. Die privatisierte Deutsche Bahn AG ist dabei bemüht, für eine "qualifizierte Öffentlichkeit" ein angemessenes Ambiente zu schaffen. Daneben ist die Bahn als großer Grundstückseigner ein Akteur in der Umstrukturierung der Städte, wie beispielsweise in Stuttgart, wo die Bahn auf einem aufgelassenen Bahngelände ein ganzes, neues Stadtviertel baut. Seit 1992 sorgt der Bundesgrenzschutz auf den Bahnhöfen für Ordnung. Auf die Frage, wo denn hier die Grenze sei, wissen die Beamten meist jedoch auch keine Antwort.

js

Die Vorbereitungsgruppe zur Innenstadtaktion 98 trifft sich am 25. März und am 8. April, jeweils um 20 Uhr, im Laden Schröderstr. 9 (Ecke Bergstraße) in Mitte.
Mitmacher sind eingeladen,
fon 2859757.

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  Ausgabe 06 - 1998