Ausgabe 05 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Drei, zwei, eins: Wer macht die Gewinne?

Ein Dokumentarfilm zum Massenphänomen Ebay

Im 21. Jahrhundert ist Handel allgegenwärtig und weltumspannend. Käufer und Verkäufer sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden, alle kaufen und verkaufen. 200 Millionen Menschen verlassen dafür nicht einmal mehr das Haus, sondern flanieren durch das weltweit größte Handels- und Auktionshaus Ebay, stellen ihre Ware auf die Internetplattform, machen Angebote und versuchen, ihre Mitstreiter im Kampf um die Ware zu überbieten. Der Gewinner tä-
tigt nur noch eine Online-Überweisung, fertig ist das Geschäft. Anschließend wartet er auf den Paketboten.

Was der Paketbote dann bringt, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht das Entdecken von Schnäppchen, Raritäten oder möglichst Sonderbarem aus der Welt der Stars oder von Omas Dachboden. Die Faszination liegt im Versteigerungsprozeß selbst: Im heimischen Einzelhandel versteht kaum jemand, wie die Preise zustandekommen, Ebay taugt hingegen als Paradebeispiel für jeden Grundkurs in Betriebswirtschaft. Hier kann jeder live mitverfolgen, wie sich Angebot und Nachfrage treffen und den Preis bilden.

Die beiden Filmemacher Marcus Vetter und Stefan Tolz verfolgen den Traum vom direkten Marktplatz, auf dem alle zu den gleichen Konditionen miteinander handeln können bis in die letzten Winkel Mexikos, Schottlands und Deutschlands. In Traders' Dreams erzählen sie Episoden aus der Ebay-Welt, lassen begeisterte Nutzer, hoffnungsvolle Händler und die amerikanischen Erfinder zu Wort kommen. Ein Marketingstratege von Ebay behauptet, es lägen noch mehrere Billionen US-Dollar in den Kellern und auf den Dachböden der Welt: „totes Kapital" ­ und heizt so den amerikanischen Traum an, vom Sammler oder Messie zum Millionär zu werden. Weltweit hat diese Strategie eine halbe Million Menschen dazu gebracht, ihr Glück bei Ebay zu versuchen und eine Existenz als sogenannte „Powerseller" aufzubauen.

Der arbeitslose Ingenieur Konrad Thurm aus dem sächsischen Borna ist einer von ihnen. In der Ebay-Kampagne klingt alles ganz einfach: „Find a product and bring it in the world", „200 Millionen Internetnutzer warten auf Ihr Angebot", „Gewinne von 30000 Euro" gelten als gesichert. In der Realität jedoch trägt der Powerseller das volle Risiko, ob er verkauft oder nicht, in jedem Fall muß er pro Artikel und Angebot an Ebay eine Einstellgebühr zwischen fünf Cent und fünf Euro zahlen. Garantierte Gewinne macht Ebay allein, hinzu kommt eine Provision in Höhe von fünf bis zwölf Prozent.

Die Monopolstellung von Ebay gilt als kaum angreifbar. Das Auktionshaus ist in 33 Ländern präsent, im Jahr 2006 machte Ebay einen Gewinn von 1,12 Milliarden US-Dollar und kaufte in den letzten sieben Jahren alle potentiellen Konkurrenten, sparten- oder länderspezifische Internetauktionshäuser für jeweils zwei- bis dreistellige Millionenbeträge auf. In zahlreichen Internetblogs klagen Ebay-Nutzer über stark steigende Einstellgebühren, die vor allem zu Lasten von Privatleuten gingen.

Leider vergißt der Film, diesen Aspekt deutlich herauszustellen. Stattdessen verbleibt er einige Minuten zu lang und mit zu wenig Distanz auf der jährlich stattfinden Ebay-live-Party, auf der Ebay-Coaches sektengleich finanziellen Erfolg genauso wie menschliche Nächstenliebe versprechen. Ebay versteht sein internationales Agieren am ehesten als wirtschaftliche Demokratisierung der Welt.

Dem steht der chinesische Internet-Unternehmer Jack Ma eher gelassen gegenüber, er will sein chinesisches Auktionshaus alibaba.com weder an Ebay verkaufen noch verlangt er Gebühren von seinen Kunden. Stattdessen möchte er Ebay dazu bewegen, die Handelsplattform ebenfalls kostenlos anzubieten. Auf dem chinesischen Markt hat Jack Ma Ebay schon verdrängt, warum soll das nicht auch in Europa klappen? Unklar bleibt im Film, wie sich alibaba.com finanziert.

Kostenlose Internetauktionshäuser gibt es auch in Deutschland, die meisten Mitglieder zählt hood.de, doch das Problem seien, so diskutieren User im Internet, zu wenige Nutzer und Anbieter. Doch dies könnten Anbieter und Nutzer selbst am schnellsten ändern. Vielleicht wäre das auch eine gute Alternative für Konrad Thurm aus Borna, dem es trotz aller Ebay-Euphorie und tatkräftiger Unterstützung seiner ganzen Familie nicht gelingt, Faschingskostüme aus dem bornaschen Kleiderfachgeschäft oder regionale Spezialitäten aus Sachsen über die Handelsplattform Ebay unter die Leute zu bringen. Einstellgebühr zahlt er trotzdem. Fanti Baum

Traders' Dreams ­ Eine Reise in die Ebay-Welt. Ab dem 28. Juni im Kino.

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