Bludniks im Sumpf
Der Film Herzentöter, eine mysteriöse Komödie
Auf der diesjährigen Berlinale fiel auf, daß
sich einige Berliner Regisseure zunehmend für das weitere Umland
interessieren und dort ihre Filme ansiedeln. Bevorzugter Schauplatz war
die Uckermark, eine ziemlich karge Gegend, in der man sich ganz auf die
Figuren konzentrieren kann. Ganz anders hat es Regisseur Bernd Heiber
in seinem ersten Langspielfilm Herzentöter gemacht, für den
er auch das Drehbuch geschrieben hat. Schauplatz ist seine Heimat, der
Spreewald, der eine nicht unwichtige Rolle für den Verlauf der
Geschichte spielt. Viel hat dieses Gebiet nicht für seine Bewohner
zu bieten außer Landschaft, Mücken und mystischen Sagen. Mit
denen ist Heiber aufgewachsen und hat eine davon wunderbar in seine
Geschichte um drei Verlorene eingeflochten.
Kobja will nach Neuseeland auswandern. Um das Geld
für das den Flug und Grundstück zusammen zu bekommen, hat er
Autos geklaut. Kurz vor seiner Abreise verkündet ihm der
Grundstücksmakler, daß er mehr Geld wolle und er drei Tage
Zeit habe, es aufzubringen. Sonst sei das Land weg. Ein letztes Mal
geht Kobja auf Beutezug, ausgerechnet vor einem Landgasthof im
Spreewald. Dabei trifft er auf die alternde Schauspielerin Mikitsch,
die ihre besten Zeiten schon gesehen hat und nicht nur
„Betrunkensein" spielt. Als er das Auto stehlen will, mit dem sie
vom Dreh nach Hause gefahren werden soll, hält sie ihn für
den Fahrer und läßt sich nicht hinauswerfen. Dumm nur,
daß dieses Auto ebenfalls ein russischer Schieber im Visier
hatte. Eine Verfolgungsjagd über Landstraßen endet mitten in
der Nacht irgendwo im Spreewaldsumpf. Hanusch, ein verbitterter
Wendeverlierer, findet Kobja und Mikitsch. Zunächst hält er
die beiden für Sumpfgeister, Bludniks. Nur schwer gelingt es
ihnen, ihn von ihrem Menschsein zu überzeugen. Nachdem das aber
geschehen ist, lädt er sie für die Nacht in sein Haus am Wald
ein, das er schon geraume Zeit loswerden will. Aber angeblich
verhindert genau das ein Bludnik, ein irrlichternder Sumpfgeist. Die
Reparatur des Autos dauert. Kobja und die Schauspielerin bleiben auf
sein Angebot hin bei Hanusch. Zunehmend arrangieren sich die drei
miteinander, denn sie haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind Verlierer,
gestrandet im Sumpf, nicht nur dem des Spreewaldes. Eine schöne
Metapher. Hier kann man untergehen, sich verlieren oder wieder
herausfinden. Das schwüle Sumpfklima und die Abgescheidenheit tun
ihr Übriges, um einige Dinge ins Rollen zu bringen, die nicht in
Richtung Untergang weisen. Und der Bludnik ist immer in der Nähe.
Herzentöter ist eine Art mysteriöse
Komödie mit Tiefgang, die mit einer ausgezeichneten Besetzung
aufwartet, darunter Katja Flint, Xaver Hutter und Paul Fassnacht und
natürlich dem Spreewald. Passenderweise hatte der Streifen auf dem
Filmfestival in Cottbus Premiere. Mit seiner bizarren Mischung aus
Verspieltheit, Ernsthaftigkeit und einem Schuß Märchen
fällt er aus dem Rahmen. Vielleicht hat er deswegen auch noch
keinen Verleih gefunden und war bisher nur auf Festivals und in der
Reihe Neuer Deutscher Film im Babylon zu sehen. Das ist sehr schade,
denn dieser Film ist fürs Kino gemacht. Das nächste Mal kann
man ihn am 25. Juni im Kino Toni auf der Leinwand anschauen oder im
Juli in der Reihe Debüt im Ersten im Fernsehen, irgendwann
spätabends. Das ist dann hoffentlich nicht das letzte Mal, und es
wäre schön, wenn sich doch noch ein Verleih interessierte. ib
Herzentöter am 25. Juni im Kino Toni
in Weißensee und am 16. Juli
um 22.45 Uhr in der ARD
www.herzentoeter.de