Ausgabe 05 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Bludniks im Sumpf

Der Film Herzentöter, eine mysteriöse Komödie

Auf der diesjährigen Berlinale fiel auf, daß sich einige Berliner Regisseure zunehmend für das weitere Umland interessieren und dort ihre Filme ansiedeln. Bevorzugter Schauplatz war die Uckermark, eine ziemlich karge Gegend, in der man sich ganz auf die Figuren konzentrieren kann. Ganz anders hat es Regisseur Bernd Heiber in seinem ersten Langspielfilm Herzentöter gemacht, für den er auch das Drehbuch geschrieben hat. Schauplatz ist seine Heimat, der Spreewald, der eine nicht unwichtige Rolle für den Verlauf der Geschichte spielt. Viel hat dieses Gebiet nicht für seine Bewohner zu bieten außer Landschaft, Mücken und mystischen Sagen. Mit denen ist Heiber aufgewachsen und hat eine davon wunderbar in seine Geschichte um drei Verlorene eingeflochten.

Kobja will nach Neuseeland auswandern. Um das Geld für das den Flug und Grundstück zusammen zu bekommen, hat er Autos geklaut. Kurz vor seiner Abreise verkündet ihm der Grundstücksmakler, daß er mehr Geld wolle und er drei Tage Zeit habe, es aufzubringen. Sonst sei das Land weg. Ein letztes Mal geht Kobja auf Beutezug, ausgerechnet vor einem Landgasthof im Spreewald. Dabei trifft er auf die alternde Schauspielerin Mikitsch, die ihre besten Zeiten schon gesehen hat und nicht nur „Betrunkensein" spielt. Als er das Auto stehlen will, mit dem sie vom Dreh nach Hause gefahren werden soll, hält sie ihn für den Fahrer und läßt sich nicht hinauswerfen. Dumm nur, daß dieses Auto ebenfalls ein russischer Schieber im Visier hatte. Eine Verfolgungsjagd über Landstraßen endet mitten in der Nacht irgendwo im Spreewaldsumpf. Hanusch, ein verbitterter Wendeverlierer, findet Kobja und Mikitsch. Zunächst hält er die beiden für Sumpfgeister, Bludniks. Nur schwer gelingt es ihnen, ihn von ihrem Menschsein zu überzeugen. Nachdem das aber geschehen ist, lädt er sie für die Nacht in sein Haus am Wald ein, das er schon geraume Zeit loswerden will. Aber angeblich verhindert genau das ein Bludnik, ein irrlichternder Sumpfgeist. Die Reparatur des Autos dauert. Kobja und die Schauspielerin bleiben auf sein Angebot hin bei Hanusch. Zunehmend arrangieren sich die drei miteinander, denn sie haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind Verlierer, gestrandet im Sumpf, nicht nur dem des Spreewaldes. Eine schöne Metapher. Hier kann man untergehen, sich verlieren oder wieder herausfinden. Das schwüle Sumpfklima und die Abgescheidenheit tun ihr Übriges, um einige Dinge ins Rollen zu bringen, die nicht in Richtung Untergang weisen. Und der Bludnik ist immer in der Nähe.

Herzentöter ist eine Art mysteriöse Komödie mit Tiefgang, die mit einer ausgezeichneten Besetzung aufwartet, darunter Katja Flint, Xaver Hutter und Paul Fassnacht und natürlich dem Spreewald. Passenderweise hatte der Streifen auf dem Filmfestival in Cottbus Premiere. Mit seiner bizarren Mischung aus Verspieltheit, Ernsthaftigkeit und einem Schuß Märchen fällt er aus dem Rahmen. Vielleicht hat er deswegen auch noch keinen Verleih gefunden und war bisher nur auf Festivals und in der Reihe Neuer Deutscher Film im Babylon zu sehen. Das ist sehr schade, denn dieser Film ist fürs Kino gemacht. Das nächste Mal kann man ihn am 25. Juni im Kino Toni auf der Leinwand anschauen oder im Juli in der Reihe Debüt im Ersten im Fernsehen, irgendwann spätabends. Das ist dann hoffentlich nicht das letzte Mal, und es wäre schön, wenn sich doch noch ein Verleih interessierte. ib

Herzentöter am 25. Juni im Kino Toni
in Weißensee und am 16. Juli
um 22.45 Uhr in der ARD

www.herzentoeter.de


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