stimmenwald
Unterm Llareggubberg und an der Mündung des Flusses
Dewi, zwischen Meer und Milchwald beschreibt Dylan Thomas „die
Geschäftigkeit einer morgendlichen Stadt, gesehen durch eine
Anzahl von Augen, wahrgenommen durch zahllose Stimmen, dann der endlos
langweilige Nachmittag, dann der vielgesichtige Abend und dann wieder
die schwerfällige Stille der Nacht". Dieses „Spiel für
Stimmen" entstand als Auftragsarbeit der BBC und wurde 1954 mit dem
Prix Italia ausgezeichnet. Die erste deutschsprachige Produktion des
Hörspiels entstand im gleichen Jahr und zählt zu den
großartigsten Stücken des Hörspielrepertoires.
Radiotesla spielt beide Stücke gleichzeitig, wobei man über
einen Schalter am Kopfhörer entscheiden kann, welcher Fassung man
folgen möchte.
Radiotesla/Hörspiel. Dylan Thomas: Under Milk Wood.
BBC 1954 / Unter dem Milchwald. NWDR 1954. Am 6. Juni um 20.30 Uhr im
Podewil,Klosterstraße 68-70, Mitte.
rustikale ecke
Manche kennen ja nur noch Clubs und Bars und
Mäcdonalds und Starbucks. Bevor die guten alten Gasthäuser
mit ihrem handfesten rustikalen Charme völlig aus dem
Gedächtnis verschwunden sind, hat sich das Freilichtmuseum
Domäne Dahlem der Geschichte und Kultur dieser aussterbenden
Geselligkeit, bei der meist üppig getrunken und gegessen wurde,
angenommen. Die Ausstellung vermittelt einen bunten und spannenden
Eindruck von der jahrhundertealten Tradition des Gasthauswesens.
Noch bis zum 31. Dezember, Mi bis Mo von 10 bis 18 Uhr
im Freilichtmuseum Domäne Dahlem, Königin-Luise-Straße
49, Dahlem
küchentratsch
Das Schauspiel Neukölln lädt ein zu einer
Revue in der Küche. Denn hier spielte schon immer der wahre Blues,
wie man seit den Dienstmädchen und ihren Liedern weiß. Wenn
die Köchin auf des Messers Spitze getrieben wird, ist es Zeit
für die Koloratur, und wer nicht morgen schon jemandes Gestern
sein möchte, sollte sich den Partner vielleicht nicht unter
Kollegen suchen. Ist es übrigens erwiesen, daß jedes
Töpfchen sein Deckelchen findet? Interessante Frage, zu deren
Beantwortung man zusammenströmt. Es wird also angerichtet. Vom
Kleinkunstkochklassiker „Stroganoff" bis zur „Extrawurst"
von Knorkator wird nichts ausgelassen, was den Gourmet erfreuen
könnte. Wenn dann abgerechnet wird, zahlt so mancher mit seinem
Leben. Genaugenommen sogar jeder. Die Mord-Rate von „Arsen und
Spitzenhäubchen" (No. 22) wird übertroffen. So einfach ist
das. Nichts ist in der Küche unmöglich.
Schauspiel Neukölln „No. 24:
Küchen-Revue". Regie: Dirk Rave. Premiere am 15. Juni um 20 Uhr,
weitere Vorstellungen am 16. und 17. Junijeweils um 20 Uhr im Saalbau Neukölln, Karl-Marx-Str. 141, Neukölln, Karten unter fon 68093779
fluchtweg
Wer noch nie das Vergnügen hatte, die
ungekrönte Queen der Berliner Off-Kultur, die phänomenale
Margarethe Pape, zu erleben, der sollte sich aufmachen nach Kreuzberg,
wo selbige eine Live-Lesung gibt und das Hörspiel „Portale"
vorstellt. Darin enthalten sind „Szenarien, in welchen das
Metaphysische in den nüchternen Alltag gnadenlos einbricht, mit
atmosphärisch dichter ACOUSTEC-Musik, welche auch die
After-Show-Party ‚acoustecnisch' füllt." Na, das wollen wir
gerne glauben, sind wir aber nichtsdestotrotz gespannt!
Margarethe Pape: „No Escape". Am 16. Juni um 20
Uhr im Archiv der Jugendkulturen, Gewerbehof, Fidicinstraße 3,
Kreuzberg. Karten: 10, ermäßigt 6 Euro, ALG 2-Empfänger
frei.
dorfidylle
Vor kurzem wurde der Dokumentarfilm Menschen des 21.
Jahrhunderts über die Victoriastadt in Lichtenberg fertig
gestellt. Geprägt durch seine Insellage, die durch den Ausbau der
S-Bahn zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entstand, entwickelte
sich dort ein Berlin-untypisches, recht dörfliches
Lebensgefühl, das der Film porträtiert. Er ist 45 Minuten
lang und kann direkt bei dem Regisseur Johannes Kochs unter e-post: jkochs@tiscali.de bestellt werden.
russischer kessel
Eine deutsche, rockende Blaskapelle und eine Russencombo
aus dem Havelland werden das Kesselhaus Mitte des Monats zum Brodeln
bringen. Die Bolschewistische Kurkapelle absorbiert und verfremdet die
Traditionen der Blasmusik für ihre eigenen Zwecke und spielt einen
intelligenten, politischen Blascore. Dabei beschäftigt sie sich
nicht nur mit Hanns Eisler als Erfinder des Rock'n'Roll sondern rundet
ihr Programm mit blasgerechten Bearbeitungen von Rio Reiser, Coldplay,
Kurt Cobain, Jimi Hendrix und Metallica ab. 44 Leningrad klingen, als
hätte man ein Estraden-Ensemble auf Drogen gesetzt. Sie nehmen die
Seele des russischen Volksliedes und meucheln diese in einem Sperrfeuer
aus Gitarrensounds und Schlagzeugattacken.
Casatschok On Speed! - Die Bolschewistische Kurkapelle
Schwarz-Rot / Berlin & 44 Leningrad. Am 16. Juni um 21 Uhr im
Kesselhaus der Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36, Prenzlauer
Berg.
poets' corner
Berlin ist bekanntlich eine Stadt der Dichter und
ganz bestimmt wohnt einer ganz in der Nähe. Das Poesiefestival
Berlin bietet am 23. Juni die Möglichkeit, die Dichter in den
Kiezen kennenzulernen. Berühmte Autoren und aufstrebende Talente
erlesen einen lyrischen Plan der Stadt. Insgesamt werden 33 Autoren auf
öffentlichen Plätzen in vier Berliner Bezirken aus ihren
Werken vortragen: unter anderem von 13 bis 15 Uhr in Pankow auf der
Freifläche am Wasserturm nahe der Knaackstraße mit Agnieszka
Debska, Ricardo Domeneck, Ulrike Draesner, Norbert Hummelt, Hendrik
Jackson, Jalal Sarfaraz, Donna Stonecipher sowie von 14 bis 16 Uhr in
Neukölln am Reuterplatz vor dem schönen Brunnen mit Timo
Berger, Ann Cotten, Daniel Falb, Alexander Gumz, Björn Kuhligk,
Clemens Kuhnert, Brigitte Oleschinski, Florian Voß und Jan Wagner.
zwischenland
Verschiedenartige Schnittstellen, die sich zwischen
Literatur und Comic ergeben, lotet das Schreibheft im Schwerpunkt
seiner aktuellen Ausgabe Geteilte Beute aus. So stellt Oliver
Grajewskis graphische Bearbeitung eines Textes von Kathrin Röggla
weit mehr dar als eine Illustration der Vorlage; er steigert durch
geschicktes Arrangement gestalterischer Mittel die ohnehin beklemmende
Wirkung des Textes ins nahezu Unermeßliche. Marcel Beyer dagegen
überträgt das für Comics typische Nebeneinander von
Bild- und Textebene ins Literarische, wobei er den Comichelden seiner
Kindheit auf der Spur ist. Natürlich gibt es auch „normale"
Comic-Umsetzungen literarischer Arbeiten, wie z.B. Mawils
Interpretation einer Geschichte von Jochen Schmidt, die durch
aufmerksam-unprätentiöse und zum Schmunzeln anregende
Beschreibungen alltäglicher Jugenderfahrungen glänzt. Alles
in Allem ist es dem Schreibheft gelungen, die sich bei der
Kollaboration zweier Kunstformen ergebenden Synergieeffekte
herauszukitzeln und zugängig zu machen.
Schreibheft Zeitschrift für Literatur Nr. 68:
Geteilte Beute Comics & Literatur. Korrespondenz,
Überzeichnung, Verwandlung. 10,50 Euro.