Der Minderheiten-Bericht
Rolf Gössners Panorama der aktuellen
Sicherheitsgesetzgebung
Auch wenn etwas immer wiederholt wird, wird es nicht
richtiger. Z.B. die Behauptung, daß durch die Anschläge vom
11. September 2001 eine neue Sicherheitslage entstanden sei.
„9/11" wurde zur Chiffre für diffuse Bedrohungsängste,
die die Regierungen seither zu bedienen versuchen. Urplötzlich
legten die Sicherheitsbürokraten Pläne vor, die
augenscheinlich schon länger in ihren Schubladen geschlummert
hatten. Doch nach „9/11" gab es kein Halten mehr, und kein
Innenminister, der etwas auf sich hält, will mehr als
„weich" erscheinen. Im Moment ist es Schäuble, der das ganz
große Rad dreht. Von seinem, seiner Vorgänger und
Länderkollegen Wirken handelt das neue Buch des Bremer
Rechtsanwalts Rolf Gössner.
Gössner unternimmt nichts weniger als eine Tour de
Force durch die zahlreichen Gesetzesänderungen im Bereich der
sogenannten inneren Sicherheit. Er beschreibt, wie Hysterie
geschürt wird, die Befugnisse von Behörden ausgebaut werden
und der Datenschutz ausgehöhlt wird. Des weiteren, wie durch die
Strategie, Straftaten zu verhindern, bevor sie verübt werden, ein
zentrales Element des abendländischen Rechtsdenkens, die
Unschuldsvermutung, konterkariert wird. Und wie sich viele der
Maßnahmen relativ ungeniert gegen Muslime, Asylberechtigte und
ganz allgemein die nicht-deutsche Bevölkerung richten.
Das ist das Buch, auf das man schon längere Zeit
gewartet hat: Gössner schreibt kompakt, verständlich und sehr
informiert über die Tendenz der neueren Gesetzgebung, die zur
Aushöhlung der einstmals als selbstverständlich erachteten
Bürgerrechte führt. Lobenswert ist, daß er bei aller
Standfestigkeit differenziert urteilt. So kritisiert er z.B. jene, die
sich über geheimdienstliche Ausforschungen beschweren, aber dann
wiederum meinen, daß die Behörden im Kampf gegen
„Rechts" dieselben Methoden anwenden sollten, unter denen sie
selbst zu leiden hatten. Die Kritik der gegenwärtigen Politik, da
hat Gössner recht, darf dieser Versuchung nicht erliegen.
Daß er dabei stets von der Warte des Juristen
urteilt, macht zugleich die Stärke und Schwäche des Buches
aus. Stärke, weil die „naive" Beschränkung auf das
Gesetz eine nicht zu unterschätzende Sprengkraft hat.
Schwäche, weil in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik nichts
unreguliert bleibt und sich somit kaum eine Differenz zwischen dem
auftut, was getan wird und was erlaubt ist. Und wenn doch, dann wird
die „Regelungslücke" eben mit einem Gesetz geschlossen.
Benno Kirsch
ERolf Gössner: Menschenrechte in Zeiten des
Terrors. Kollateralschäden an der „Heimatfront". Konkret
Literatur Verlag. Hamburg 2007. 17 Euro.