Ausgabe 05 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Der Minderheiten-Bericht

Rolf Gössners Panorama der aktuellen
Sicherheitsgesetzgebung

Auch wenn etwas immer wiederholt wird, wird es nicht richtiger. Z.B. die Behauptung, daß durch die Anschläge vom 11. September 2001 eine neue Sicherheitslage entstanden sei. „9/11" wurde zur Chiffre für diffuse Bedrohungsängste, die die Regierungen seither zu bedienen versuchen. Urplötzlich legten die Sicherheitsbürokraten Pläne vor, die augenscheinlich schon länger in ihren Schubladen geschlummert hatten. Doch nach „9/11" gab es kein Halten mehr, und kein Innenminister, der etwas auf sich hält, will mehr als „weich" erscheinen. Im Moment ist es Schäuble, der das ganz große Rad dreht. Von seinem, seiner Vorgänger und Länderkollegen Wirken handelt das neue Buch des Bremer Rechtsanwalts Rolf Gössner.

Gössner unternimmt nichts weniger als eine Tour de Force durch die zahlreichen Gesetzesänderungen im Bereich der sogenannten inneren Sicherheit. Er beschreibt, wie Hysterie geschürt wird, die Befugnisse von Behörden ausgebaut werden und der Datenschutz ausgehöhlt wird. Des weiteren, wie durch die Strategie, Straftaten zu verhindern, bevor sie verübt werden, ein zentrales Element des abendländischen Rechtsdenkens, die Unschuldsvermutung, konterkariert wird. Und wie sich viele der Maßnahmen relativ ungeniert gegen Muslime, Asylberechtigte und ganz allgemein die nicht-deutsche Bevölkerung richten.

Das ist das Buch, auf das man schon längere Zeit gewartet hat: Gössner schreibt kompakt, verständlich und sehr informiert über die Tendenz der neueren Gesetzgebung, die zur Aushöhlung der einstmals als selbstverständlich erachteten Bürgerrechte führt. Lobenswert ist, daß er bei aller Standfestigkeit differenziert urteilt. So kritisiert er z.B. jene, die sich über geheimdienstliche Ausforschungen beschweren, aber dann wiederum meinen, daß die Behörden im Kampf gegen „Rechts" dieselben Methoden anwenden sollten, unter denen sie selbst zu leiden hatten. Die Kritik der gegenwärtigen Politik, da hat Gössner recht, darf dieser Versuchung nicht erliegen.

Daß er dabei stets von der Warte des Juristen urteilt, macht zugleich die Stärke und Schwäche des Buches aus. Stärke, weil die „naive" Beschränkung auf das Gesetz eine nicht zu unterschätzende Sprengkraft hat. Schwäche, weil in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik nichts unreguliert bleibt und sich somit kaum eine Differenz zwischen dem auftut, was getan wird und was erlaubt ist. Und wenn doch, dann wird die „Regelungslücke" eben mit einem Gesetz geschlossen. 

Benno Kirsch

ERolf Gössner: Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschäden an der „Heimatfront". Konkret Literatur Verlag. Hamburg 2007. 17 Euro.

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