Ausgabe 04 - 2007 berliner stadtzeitung
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Den Bettvorleger REITen

Die Kritik neuer Anlageformen für Immobilien idealisiert den sozialen Wohnungsbau

Als im vergangenen Jahr sich nicht nur in Berlin die Privatisierungen öffentlicher Wohnungsbestände häuften und dann hierzulande auch noch ein US-amerikanisches Anlageinstrument für Immobilien namens REIT eingeführt werden sollte, da schien es mal wieder soweit: Nicht gleich der Untergang des Abendlandes, aber doch jener der sozialorientierten Wohnungs- und Stadtpolitik schien zum Greifen nah. So jedenfalls argumentierten ­ etwas zugespitzt formuliert ­ Vertreter von Mieterverbänden.

Dabei war damals über die Arbeitsweise der REITs (Real Estate Investment Trusts) im Vergleich zu anderen Anlageformen für Immobilien noch recht wenig Konkretes zu erfahren. Nun hat die Stadtbauwelt eine Ausgabe mit dem Schwerpunktthema „Ware Wohnung" herausgegeben, die sich nicht nur in lobbyistischen Grabenkämpfen und Positionsbehauptungen ergeht. Was also steckt hinter dem Wort- bzw. Abkürzungsungetüm?

Das finanzwirtschaftliche Instrument REIT versucht, Immobilen am Markt leicht handelbar zu machen. Anders als offene Immobilienfonds werden REITs als Aktien an der Börse gehandelt und dürfen sich auf bestimmte Marktsegmente, beispielsweise Einkaufszentren oder Gewerbehöfe, spezialisieren. Sie eignen sich gut zur längerfristigen Bewirtschaftung von Immobilienbeständen.

Nicht zugelassen wurden deutsche REITs allerdings für Wohnungsbestände, nachdem sich deutlicher Widerstand dagegen formiert hatte. Man befürchtete, daß das neue Finanzinstrument den Druck zur renditeorientierten Bewirtschaftung weiter erhöhen und so über kurz oder lang zu steigenden Mieten führen würde. Nach wie vor können hiesige Wohnungen jedoch an die Börsen anderer Länder gebracht werden, so z.B. als Luxemburger REIT.

Der Widerstand gegen REITs folgt nicht zuletzt aus einem allgemeinen Rückzugsgefecht gegenüber der massenhaften Wohnungsprivatisierung. Innerhalb der letzten fünf Jahre wurden in Berlin fast 30 Prozent der kommunalen Wohnungen verkauft. Und ein Ende dieses Trends ist bislang nicht abzusehen. Gegner der Privatisierungswelle sehen die Möglichkeiten zur sozialorientierten Stadt- und Wohnungspolitik dahinschwinden. Befürworter argumentieren, daß die zur Disposition stehenden Unternehmen ebenso hochverschuldet seien wie die kommunalen Haushalte. Ganz zu schweigen von Wirtschaftsliberalen, die von privaten, d.h. marktorientierten Verhältnissen ohnehin eine effizientere Bewirtschaftung erwarten.

Tatsächlich scheinen viele REITs- wie Privatisierungsgegner die öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungsunternehmen zu idealisieren. Dabei war ihr Bestehen, so wichtig es für den Aufbau eines sozialorientierten Wohnungsbestandes gewesen sein mag, von Skandalen und stadtpolitischen Instrumentalisierungen begleitet. Man denke nur an die Rolle der kommunalen Wohnungsunternehmen im Rahmen der Kahlschlagsanierung, das aus Verfilzung und Mißwirtschaft resultierende und exemplarisch stehende Scheitern der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat oder die oftmals längst erfolgte Abkehr von einer sozialorientierten Bewirtschaftung der Bestände.

Viele Probleme sind jedoch auch politisch herbeigeführt worden: So die Belastung der ostdeutschen Wohnungsgesellschaften mit an den Rande des Ruins bringenden Altschulden. Oder, sehr beliebt in Berlin, das kräftezehrende Einspannen der Unternehmen für Vorzeigeprojekte der Stadtentwicklung oder ihr finanzielles Anzapfen zu haushaltspolitischen Zwecken.

Nun paßt die Schaffung neuer privatwirtschaftlicher Anlageformen für Immobilien ins Konzept der aktuellen Politik. Je besser die finanzwirtschaftlichen Instrumente zur gewinnbringenden Bewirtschaftung von größeren Gebäudebeständen geeignet sind, desto mehr wird das internationale Interesse an der Privatisierung öffentlicher Bestände wachsen, und um so größere Einnahmen können Haushaltspolitiker à la Sarrazin erwarten.

Auch wenn es möglich wäre: Ein Abtragen von kommunalen Schulden durch Privatisierungseinnahmen zwecks fortlaufender Entlastung von Zins und Tilgung könnte zwar Spielräume für neue wohnungspolitische Vorhaben schaffen, etwa einen neuen sozialen Wohnungsbau oder das Absichern niedriger Mieten vorhandener Wohnungen. Wahrscheinlicher dürfte jedoch sein, daß die plötzlichen Einnahmen lediglich andauernde Geldverschwendung an anderer Stelle verdecken.

Sich mit der Kritik nur auf REITs zu stürzen, geht dagegen oftmals am Problem vorbei: Erst eine neuerliche Verpflichtung der öffentlichen Wohnungsunternehmen auf soziale Belange, verbunden mit einer wirksamen Kontrolle ihres Managements, würde den konsequenten Widerstand gegen Privatisierungen und neue Anlageformen rechtfertigen. Eine wirkungsvolle Auseinandersetzung über den Einsatz der erzielten Privatisierungserlöse stünde ohnehin an. 

Tobias Höpner

Stadtbauwelt Nr. 173, März 2007, Schwerpunktthema „Ware Wohnung".

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