Ausgabe 03 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Foto: Knut Hildebrandt

„Angst ist ein gutes Herrschaftsinstrument, aber ein schlechter Ratgeber"

Michael Miersch und Dirk Maxeiner über die Ungereimtheiten der Klimadebatte

In der Debatte um die Ursachen für den Klimawandel wird oft der Eindruck erweckt, sie sei abgeschlossen und es gehe nur noch darum zu handeln. Um das Schlimmste zu verhindern, müsse nun vor allem der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt, Energie gespart werden. Doch obwohl die Lage klar zu sein scheint, gibt es sie, die Skeptiker, die die These vom anthropogenen Klimawandel hartnäckig leugnen. Aber darf man im Angesicht der drohenden Katastrophe noch fragen, diskutieren, argumentieren? Sind die Fakten nicht eindeutig? Man darf. Man muß. Denn sobald – wie unlängst in den USA – die Forderung nach Berufsverboten laut wird oder – wie in Deutschland – offensichtlich ein Liste mit Namen von Wissenschaftlern kursiert, die sich der Mehrheitsmeinung nicht anschließen wollen, dann werden Widerworte zur Pflicht. – Michael Miersch und Dirk Maxeiner gehören in der laufenden Diskussion zu den Zweiflern. Sie waren Redakteure bei natur und arbeiten heute als freiberufliche Publizisten. Ihr jüngstes Buch heißt Schöner Denken.

Der Klimawandel ist in aller Munde. Nationale und internationale Gremien beschäftigen sich mit ihm. Das Thema steht auf der Prioritätenliste der Bundesregierung ganz oben. Doch Sie gehören zu denen, die nicht in den Chor der Mahner und Warner einstimmen wollen, obwohl die Fakten doch offensichtlich sind. Leiden Sie unter Realitätsverlust?

Maxeiner: Die Frage ist, welche Fakten Sie meinen. Es herrscht Einigkeit darüber, daß der Mensch das Klima beeinflußt. Das hat er bereits in der Vergangenheit getan. Eine Weltbevölkerung von über sechs Milliarden Menschen tut es noch mehr. Lokale Veränderungen wie Entwaldung, Landwirtschaft, Überweidung, Bewässerung und wachsende Großstädte tragen dazu genauso bei, wie großräumig wirkende Emissionen durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe oder die Haltung von Nutztieren. All dies kann direkte oder indirekte Auswirkungen auf das Klima haben. Einigkeit herrscht auch darüber, daß eine erhöhte Konzentration von Treibhausgasen tendenziell zu einer stärkeren Erwärmung der Atmosphäre führen.

Alles andere ist umstritten. Es herrscht keine Einigkeit darüber, inwieweit der zusätzlich vom Menschen verursachte Treibhauseffekt durch natürliche Einflüsse verstärkt, abgeschwächt oder überlagert wird. Man darf nicht vergessen, daß es im Mittelalter schon ähnlich warme Zeiten wie heute gab. Dies ist einer der Gründe, warum es eine so große Bandbreite der Prognosen für eine künftige Temperaturentwicklung gibt.

Der jüngst veröffentlichte UN-Klimareport zeichnet aber ein düsteres Bild der Lage. An ihm haben viele Wissenschaftler mitgearbeitet. Können die alle irren?

Maxeiner: Der Bericht beschreibt kein düsteres Bild, sondern zählt zunächst ganz sachlich die Fakten auf. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Erde um durchschnittlich etwa 0,2 Grad pro Jahrzehnt erwärmt. Der Meeresspiegel steigt zwischen einem und drei Millimetern pro Jahr an. Schätzungen für die Zukunft liegen zwischen 19 und 59 Zentimetern in den nächsten 100 Jahren, der höchste Wert wurde gegenüber dem letzten Bericht von 2001 um etwa ein Drittel zurückgenommen. Die Schätzungen für die Erderwärmung liegen zwischen 1,1 Grad und 6,4 Grad Erwärmung in den nächsten 100 Jahren. Man spricht ganz ausdrücklich nicht von einer „Prognose" sondern von „Szenarien" und „möglichen Zukünften." Interessant sind aber auch Inhalte, über die nicht in den Medien berichtet werden. So berichtet die UN, daß am Nordpol zwischen 1925 und 1940 eine ähnliche Warmphase wie heute beobachtet wurde und daß es am Südpol bis dato überhaupt keinen Trend zur Erwärmung gibt. Der UN-Klimabericht klingt durchaus besorgt, aber gegen die Panikmacher muß man ihn in Schutz nehmen.

Davon hören aber auch relativ gut informierte Zeitgenossen wenig. Wollen Sie nun auf eine Art „Schweigespirale" hinaus? Ist die gegenwärtige Diskussion nur ein Medienhype?

Miersch: Ja, die gegenwärtige Diskussion ist ein Medienhype. Nicht aus bösem Willen und auch nicht, weil finstere Mächte die Fäden ziehen, sondern weil viele Journalisten glauben, sie müßten helfen, die Welt zu retten. Eine verantwortungsvolle Berichterstattung würde den Menschen die Angst nehmen und sie in die Lage versetzen, sich ein realistisches Bild von den Vorgängen in unserer Umwelt und in unserer Gesellschaft zu machen: Was sagen die Wissenschaftler wirklich? Welche Klimaveränderungen lassen sich messen und beobachten? Stattdessen wird Angst erzeugt. Angst ist ein gutes Herrschaftsinstrument, aber ein schlechter Ratgeber.

Die gegenwärtige Hysterie beruht also nicht auf „objektiven" Fakten, sondern hat, nehme ich an, eher kulturelle Gründe. Welche?

Miersch: Die Klimakatastrophe ist zu einer Art negativen Utopie geworden. Vor der großen Katastrophe sind wir alle gleich. Selbsternannte Menschheitsretter springen begeistert auf diesen Zug. Die deutsche Politik ist nicht in der Lage, die Krankenkassenbeiträge stabil zu halten, glaubt aber die Welttemperatur regulieren zu können. Das Schöne daran: Man kann den Menschen mit diesem Argument alle Opfer abverlangen, die man ihnen ohnehin abverlangen wollte, aber eine Erfolgskontrolle ist zu Lebenszeiten der handelnden Personen unmöglich.

Verstehe ich das richtig, daß, wer von der Klimakatastrophe redet, vor allem Ersatz- oder Symbolpolitik macht. Ist das ein Problem? Wenn die Australier die Glühbirne verbieten wollen, bitte sehr ...

Maxeiner: Es geht nicht um ein paar Glühbirnen, sondern um viele Hundert Milliarden Euro, die die Erfüllung der Ziele des Kyoto-Protokolls kostet ­ nur um eine Abschwächung zu erreichen, die ­ wie auch die Befürworter zugeben ­ kaum meßbar sein wird. Umgekehrt gibt es hier und heute ganz konkrete Probleme auf der Welt, die mit Geld lösbar wären. Anstatt heute Menschen in Not zu retten, versuchen wir mit viel Geld das Klima von übermorgen zu beeinflussen.

Sie sprechen von „Ökologismus" als „neuer Religion". Was meinen Sie denn damit?

Miersch: Da die Kirchen die religiösen Bedürfnisse vieler Menschen nicht mehr befriedigen, flüchten sie sich in den Ökologismus. Die Klimakatastrophe ist die aktuelle Version des jüngsten Gerichts, es gibt Klimasünder und die können Ablaßzertifikate kaufen. Die Parallelen zur Religion sind signifikant.

Könnten Sie diesen Zusammenhang vielleicht anhand eines Beispiel illustrieren?

Maxeiner: Allein das Wort „Klimaleugner", mit dem kritische Wissenschaftler denunziert werden, sagt doch schon alles.

Auch wenn man bestreitet, daß der Klimawandel menschengemacht ist: Sollte man ihn nicht als nützliche Hypothese begreifen, um Innovationen anzuschieben? Energiesparen kann doch so falsch nicht sein.

Maxeiner: Richtig. Und deshalb ist es wichtig, sich nicht an semi-religiösen Symbolen abzuarbeiten, sondern ganz sachlich dort Maßnahmen ergreifen, wo es tatsächlich etwas bringt. Ein Blick auf die Regimes der meisten Öl-Länder ist mindestens genauso gruselig wie ein Film von Al Gore. Energiesparen ist also grundsätzlich richtig ­ zumindest in den reichen Industrieländern. Von Entwicklungsländern kann niemand verlangen, daß sie heute auf Wirtschaftswachstum verzichten, damit dadurch eventuell in ferner Zukunft die globale Durchschnittstemperatur sinkt. Es kommt auf die richtigen Prioritäten an. Und da läuft derzeit einiges schief. Während tagtäglich tausende Kinder an schmutzigem Wasser, am giftigen Qualm primitiver Feuerstellen und an Malaria sterben, glauben viele in den Wohlstandsländern, daß wir uns vordringlich um die globale Temperatur in 200 Jahren kümmern sollten.

In Ihren Büchern und Artikeln gehen Sie mit der Umweltbewegung ins Gericht. Besteht da nicht die Gefahr, die von ihr erzielten Erfolge preiszugeben und mögliche zukünftige zu vereiteln?

Miersch: Nun haben sich inzwischen ja auch die Konservativen dem Klimaschutz verschrieben. Klimaschutz und Umweltschutz sind allseits anerkannte Ziele. Das Problem ist: Die Vorsilben „Öko-" und „Bio-" werden an alles mögliche geklebt, ohne daß jemand nachfragt, ob die so geadelten Produkte oder Verfahren tatsächlich einen Umweltvorteil bieten. Nicht überall wo „grün" draufsteht ist auch „grün" drin. Was in der Bevölkerung als ökologisch gilt, hat meist mehr mit geschickter Imagepolitik von Interessengruppen zu tun als mit Fakten. Sobald ein Vorschlag in der Öffentlichkeit als „öko" etabliert ist, bricht jedoch leider jegliche Diskussion ab. Während bei anderen politischen Themen die Parteien mit Vorschlägen konkurrieren, findet in Sachen Klimawandel und Umweltschutz kein Ideenwettbewerb statt. Meistens geben Öko-Aktivisten die Richtung vor, und der Rest der Gesellschaft darf dann nur noch über die Dosis der Maßnahmen diskutieren. Man stelle sich vor, bei der Gesundheits- oder Rentenreform läge nur ein einziger Lösungsvorschlag auf dem Tisch und es würde lediglich darüber diskutiert, ob man ihn schneller oder langsamer, radikaler oder gemäßigter durchsetzt.

Maxeiner: Grünen Themen sind meist moralisch so stark aufgeladen, daß jeder Zweifel als Frevel gilt. Wer die Windkraft kritisch betrachtet oder darauf aufmerksam macht, daß Recyceln von Plastikverpackungen mehr Energie verbraucht als spart, gilt sogleich als zynischer Umweltschänder. Diese geistige Monokultur liegt auch daran, daß es nur wenige kritischen Umweltpolitiker in den Parlamenten gibt. Die, die sich das Thema zu eigen gemacht haben, lassen sich die Vorgaben von den Verbänden geben. Und die anderen haben ein schlechtes Gewissen, weil sie desinteressiert sind und nicken alles ab, was ihnen die Öko-Experten ihrer Parteien einflüstern. Es ist doch völlig aberwitzig, wenn im Dienste der Klimarettung die Tropenwälder abgeholzt werden. In Brasilien wird der Wald für Zuckerrohr-Plantagen zur Herstellung von Bio-Ethanol gerodet. In Malaysia und Indonesien brennen Plantagenfirmen den Dschungel ab, um Ölpalmen anzupflanzen. Palmöl wird neuerdings nicht nur in Margarine, Kosmetik und Waschmitteln eingesetzt, sondern auch als Kraftstoff. Der alte Werbespruch „Pack den Tiger in den Tank" wird Realität. Ein ökologischer Ball Paradox.

Was ist also das Ziel Ihrer Kritik am gegenwärtigen Klimadiskurs?

Maxeiner: Wir möchten, daß in der Klima- und Umweltdebatte nicht Angstszenarien und Mythen das Handeln bestimmen, sondern eine sachliche Abwägung, welche Maßnahmen der Gesundheit der Menschen und dem Schutz der Natur ganz konkret dienen. Oder noch kürzer: Rationales Handeln statt Symbolpolitik.

Allerdings nehmen auch die Mahner vor den Folgen des Klimawandels für sich in Anspruch, rational zu argumentieren. Wie müßte denn die Diskussion über Umweltschutz-Themen geführt werden?

Miersch: Ergebnisoffen und ohne die Unterstellung, daß Kritiker, die andere Lösungen vorschlagen, niedere Beweggründe haben. Es muß erlaubt sein abzuwägen, für was man das Geld am besten ausgibt. Geld fällt nicht vom Himmel. Menschen haben dafür gearbeitet. Sie haben ein Recht darauf, daß ihre Regierungen wohl überlegt damit umgehen.

Interview: Benno Kirsch

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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