Ausgabe 10 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

aufwärts

Geht es jetzt dank Lockerung des Ladenschlußgesetzes konjunkturell bergauf? Nachdem der Bund in dieser Angelegenheit seine Kompetenz an die Länder abgegeben hat, reagierte Berlin blitzschnell und setzte entsprechende Regelungen in Kraft: Lediglich an 42 Sonntagen im Jahr müssen die Geschäfte fortan geschlossen bleiben. Fragt sich bloß, was das soll. Diese Regelung ist nur ein Feigenblatt für die weit vorangeschrittene Abschaffung der Sonntagsruhe. Inzwischen kann man sich an fast allen Bahnhöfen mit fast allem eindecken, was man zum Leben braucht. Das Ladenschlußgesetz wird schon seit langem unterlaufen. Es wäre ehrlicher gewesen und auch bequemer für die Verbraucher, alle Sonntage freizugeben. Die damit verbundenen Hoffnungen gehen indes fehl: Mehr Geld wird nicht ausgegeben werden. Und nächstes Jahr wird die Mehrwertsteuer erhöht.

landwärts

Bürger zeigen Eigeninitiative. Der beliebte und überlaufene Mauerpark ist bisher nur auf einem Teil der vorgesehenen Fläche fertiggestellt. Nun ist im Gespräch, an der Bernauer Straße großflächigen Einzelhandel entstehen zu lassen, um der bundeseigenen Vivico Real Estate die Abgabe einiger für den Mauerpark nötiger Grundstücke zu versüßen. Das würde die geplante Ausgestaltung des Parks mindestens einschränken, wenn nicht gar unmöglich machen. Um nicht nur ein Zeichen zu setzen, sondern auch zur Tat zu schreiten, pflanzten Anwohner am 26. November unter dem Motto „Landnahme" Bäume auf der begehrten Gewerbebrache am Park. Mal sehen, ob sich ein Park in Eigenarbeit auch ohne Flächenerwerb durchsetzten läßt.

himmelwärts

Gen-Food als Großtechnologie ist auf dem Vormarsch. Die Gewinnmarge ist einfach zu groß, um nicht mitgenommen zu werden. Nachdem sie Unterschriften gesammelt hatten, ließen Aktivisten am 2. November 13000 Protestballons vor dem Reichstag in den Himmel steigen, die den unkontrollierbaren Pollenflug von genetisch veränderten Pflanzen symbolisieren sollten: „Gen-Food, nein danke!" lautete das Motto. Damit sollte die Öffentlichkeit auf die geplante Aufweichung des Gentechnikgesetzes aufmerksam gemacht werden. Campact (www.campact.de), eine Gruppe, die Attac nahesteht, hatte die Aktion über das Internet initiiert, und jeder Ballon repräsentierte einen Unterzeichner. Wenn Campact mit dieser Aktion erfolgreich sein sollte ­ uns soll das nur recht sein.

feindwärts

„Männer lassen mit sich reden", vermeldet erleichtert die taz. Und hat für diese These natürlich Zeugen bei der Hand: Psychologen von Pro Familia, die Männern Beratung für ihre ganz speziellen Probleme anbieten ­ mit Erfolg: Schon vier Männer haben sich wegen ihrer Erektionsstörungen gemeldet. Nun ist es wirklich schön für diese Männer, daß sie sich von einfühlsamen Psychologen helfen lassen. Doch wenn als „größte Herausforderung" genannt wird, das „Problembewußtsein" der „beratungsresistenten" Männer zu wecken, dann ist Vorsicht geboten. Denn die Botschaft der Therapeuten lautet: Alle Männer sind krank, sie wissen es bloß nicht. Folgerichtig erschließen sie neue Zielgruppen: Jetzt sind auch die behinderten Männer dran. Daß die Therapeuten nicht uneigennützig handeln, liegt auf der Hand: „Problembewußtsein" da zu schaffen, wo keine Probleme sind, ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Darüber sollte Mann reden.

termine

Über jene Millionen Erntehelfer, die, zumeist aus Polen kommend, hierzulande für knappe Löhne schinden, ihre arbeitsrechtliche Situation und Versuche der Organisierung informiert die Veranstaltung „Säen, Pflücken, Ernten" am 3. Dezember um 20 Uhr im Keller des Café Morgenrot, Kastanienallee 85, Prenzlauer Berg.

Die Initiative „Media Spree versenken!" lädt interessierte Anwohner am 6. Dezember ein, über Multifunktionshallen, Riesenräder und die Förderung der Unterhaltungsbranche zu debattieren. Um 19.30 Uhr im Ambulatorium des RAW-Geländes, Revaler Straße in Friedrichshain.

Über das neue „Bildungsideal" und die Perspektiven studentischer Proteste gegen Eliteuniversitäten wird am 6. Dezember um 20 Uhr mit Prof. Dr. Morus Markard und Björn Kietzmann (AstA-FU) diskutiert, Ort: Stadtteilladen Zielona Gora, Grünberger Straße 73, Friedrichshain.

Am 9. Dezember um 18 Uhr klären Sylvia Pfaff-Hofmann (Rechtsanwältin), T. Lindhorst und Georg Classen (Flüchtlingsrat Berlin) über die neuen Bleiberechtsregelungen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November auf. Robert-Havemann-Saal im Haus der Demokratie, Greifswalder Straße 4, Prenzlauer Berg.

scheinschlag hofft

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zum Offenen Autorentreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a. Über künftige Autoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, dem 13. Januar 2007, um 14 Uhr statt.

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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