Ausgabe 10 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Abgehoben ­ Luxusklinik mit Landebahn?

Die Zukunft des Flughafens Tempelhof bleibt ungewiß. Der frühere Geschäftsführer des US-Kosmetik-Konzerns Estée Lauder, Fred Langhammer, will im denkmalgeschützten Gebäude eine Luxusklinik für Privatpatienten und ein Transplantationszentrum mit eigener Landebahn errichten. Bundeskanzlerin Angela Merkel mischte sich ein und vermittelte die Idee direkt an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit.

Der Berliner Senat äußert sich skeptisch. In Tempelhof wird der Flugbetrieb zum 31. Oktober 2007 eingestellt. So steht es im Konsensbeschluß zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund aus dem Jahre 1996. „Dieser Konsensbeschluß ist weiter gültig und Teil der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zum Planfeststellungsbeschluß", so Verkehrssenatssprecherin Petra Roland. Wer diesen Konsens aufkündige, müsse sich darüber im klaren sein, daß er das vom Bundesverwaltungsgericht abgesegnete Konstrukt gefährde. Eberhard Elie, Sprecher der Flughafengesellschaft sagte, daß die Vorbereitungen für eine Stillegung Tempelhofs bereits im vollen Gange seien.

Der Bund und Berlin prüfen jetzt, ob es möglich ist, die Geschäftsfliegerei aufrechtzuerhalten. Eine Modellrechnung habe ergeben, daß dann ein Defizit in Höhe von etwa 1,5 Millionen Euro pro Jahr entstünde. Ob der Interessent diese Kosten übernehmen würde, ist bisher nicht bekannt. Jedenfalls erklärt er, als Voraussetzung für sein Projekt müsse der Flugbetrieb weitergehen.

Der Bund hat ein großes Interesse am Weiterbetrieb der Flughafen-Immobilie, die zu 80 Prozent ihm gehört. Er bliebe sonst auf den hohen Kosten der Gebäude-Unterhaltung sitzen. Mit einer angeschlossenen Landebahn könnte der Bau leichter zu vermarkten sein, und der Bund hätte ein finanzielles Problem weniger. Dafür müßte allerdings das Land Berlin mitspielen und auf die komplette Schließung verzichten.

Der Plan klingt reichlich abenteuerlich. Es gibt zu wenige superreiche Kranke, die eine solche Klinik brauchen, um sich und den Flughafen mit seinem riesigen denkmalgeschützten Immobilienbestand zu finanzieren. Und das in einer Stadt, die einen vergleichsweise geringen Anteil an reichen Einwohnern hat und die mit mehr als 70 Kliniken schon jetzt als überversorgt gilt. Die international hochkarätigen Patienten kämen aus dem arabischen Raum, aus Übersee oder aus Rußland, flögen also eh keinen Regionalflughafen an.

In den Schatten gestellt sind Konzepte, nach denen es möglich ist, das Gebäude ohne Flugbetrieb wirtschaftlich zu betreiben. Nach einer vom Bund in Auftrag gegebenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sollen viele Nutzungen in dem größten Gebäudekomplex Europas zusammengeführt werden. Ein Flugbetrieb sei bei einem solchen Konzept nur noch das „Sahnehäubchen", wirtschaftlich aber nicht zwingend erforderlich.

Berta Globig

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 10 - 2006 © scheinschlag 2006