Ausgabe 02 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Bedrohtes Raucherschutzgebiet Deutschland

Tabaklobby contra Gesundheitsexperte

Kommt das Rauchverbot in Kneipen? Beim Blick in das europäische Ausland jedenfalls scheint die Einführung vergleichbarer Regelungen in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Doch was nach Ländern wie Irland, Italien und Spanien kürzlich auch in Großbritannien auf den Weg gebracht wurde, war in Deutschland bisher gerade mal ein Thema für das Sommerloch.

Bis jetzt hat das Gesundheitsministerium lediglich eine unverbindliche Vereinbarung mit der Gastronomie geschlossen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), in dem ca. 30 Prozent der Arbeitgeber der Gastronomie Mitglied sind, vereinbarte mit dem Ministerium freiwillige Maßnahmen zum Nichtraucherschutz. So soll bis zum März 2008 das Platzangebot für Nichtraucher schrittweise erhöht werden. Dann sollen in 90 Prozent der Speisegaststätten, die größer als 75 m2 sind oder mehr als 40 Plätze anbieten, die Nichtraucher auf mindestens der Hälfte der Plätze sicher vor Qualm sein. Ein Nichtraucherplatz ist dabei nicht genauer definiert ­ er könnte beispielsweise vollständig von Rauchertischen umzingelt sein. Sanktionen bei Nichteinhaltung sind ­ wegen der Freiwilligkeit ­ nicht vorgesehen. Und Bars, Clubs und Diskotheken fallen gar nicht erst unter diese Vereinbarung.

Angesichts dieser kaum ernstzunehmenden Selbstverpflichtung der Gastronomie fordern Nikotingegner, Krankenkassen, Ärzte und Gesundheitspolitiker vehement gesetzliche Maßnahmen zum Nichtraucherschutz. So plädierte kürzlich der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach in der Berliner Zeitung für ein gesetzliches Rauchverbot in allen Gaststätten. Auch medizinische Einrichtungen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum drängen auf gesetzliches Eingreifen. Eine Möglichkeit, ein Rauchverbot einzuführen, wäre dabei eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung. Diese gibt im Moment zwar Beschäftigten die Möglichkeit, einen rauchfreien Arbeitsplatz zu fordern. Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr jedoch, also sämtliche Arbeitsplätze in der Gastronomie, sind von dieser Regelung ausgeschlossen.

Doch wie wahrscheinlich ist ein gesetzliches Rauchverbot? In der Öffentlichkeit jedenfalls mehren sich die Zeichen für eine baldige Einführung. Wie die Leiterin der Abteilung Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums, Martina Pötschke-Langer, andeutete, spricht sich laut einer in Kürze veröffentlichten Umfrage eine Mehrheit der Deutschen für ein Rauchverbot in Kneipen aus: „Es sieht sehr gut aus." Dabei spielten auch die Erfahrungen der Deutschen mit den Rauchverboten im Ausland eine Rolle. So hätten deutsche Touristen in Italien beobachten können, daß rauchfreie Bars und Cafés gar nicht so übel seien.

Zwar spricht die geplante Einführung von Rauchverboten in öffentlichen Räumen in Berlin, Bremen und Baden-Württemberg dafür, daß in Kürze auch der Bund folgen wird. Doch dort herrscht noch Stillstand. Ein Grund dafür mag die Angst vor Ausfällen bei der Tabaksteuer sein. Sie spülte im letzten Jahr 14,4 Milliarden Euro in die Staatskasse. Zudem ist der Einfluß der Tabaklobby auf die Bundespolitik nicht zu unterschätzen. Die Macht der Zigarettenkonzerne und Tabakbauern ist groß. Anders läßt sich die kürzliche Äußerung des FDP-Drogenexperten Detlef Parr gegenüber der Berliner Zeitung nicht erklären, die Tabaklobby nehme ihre „Rolle im Nichtraucherschutz ernst".

Ob sich die Tabaklobby langfristig behaupten kann, ist jedoch fraglich. Für die Zukunft zumindest ist eine verstärkte öffentliche Debatte zu erwarten. Der globale Gesundheitstrend wird kaum spurlos an Deutschland vorbeigehen.

Marco Gütle

Foto: Knut Hildebrandt

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