Ausgabe 02 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Das Hotel „Unter den Linden" fällt

Nun hat es also auch noch das Hotel „Unter den Linden" erwischt – samt vorgelagerter Freifläche, einem der letzten Stadtplätze in der Friedrichstadt. Seit 1. März laufen die Abrißarbeiten an der Ecke Unter den Linden/Friedrichstraße, um das Areal freizuräumen für einen dieser uniformen Kästen, Inbegriff dessen, was man heute unter Berliner Metropolenarchitektur subsumieren muß.

Der Investor, eine Tochter der Münchner Rückversicherung, verspricht, ein achtgeschossiges „Wohn- und Geschäftshaus für höchste Ansprüche", ja, eine „Premium-Immobilie" zu errichten (vielleicht mit einem Luxusautohaus unten drin, von denen gibt es an dieser Ecke noch nicht genug). Und Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer rechtfertigt die Vernichtung des letzten Ensembles der DDR-Moderne an diesem Ort als „wichtiges Stück Stadtreparatur" ­ weitaus wichtiger wohl auch als eine kostengünstige Unterkunft in Berlins Mitte, wie sie das Hotel darstellte. Der Neubau soll bis an den Straßenrand vorrücken und so den von der Berliner Politik innig geliebten historischen Grundriß wiederherstellen.

1966 wurde das Hotel „Unter den Linden" eröffnet, das mit dem gegenüberliegenden, ebenfalls zurückgesetzten ­ und mittlerweile abgerissenen ­ Lindencorso samt Terasse und Vorplatz mit Springbrunnen korrespondierte. Das Hotel war kein fulminanter Leuchtturm der DDR-Moderne wie etwa das ­ selbstverständlich ebenfalls abgerissene ­ Ahornblatt auf der Fischerinsel, es wirkte trotz seiner Kompaktheit und seiner gar nicht geringen Größe unspektakulär, geradezu unscheinbar und aufgrund des Stadtplatzes davor fast leicht: mithin eine der letzten Bastionen wider die banale Protzigkeit, die sich seit den neunziger Jahren an der Friedrichstraße ungehindert austobt.

Der Abriß soll bis zur Eröffnung der Fußball-WM abgeschlossen sein, das 6000 m2 große Gelände bis zum Neubaubeginn für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Ein konkretes Nutzungskonzept gebe es aber noch nicht, so der stadtreparierende Investor.

jl

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