Ausgabe 2 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Polizisten als Landschaftsplaner

Der Weinbergspark soll teilerneuert werden

Auch wenn man das ständige Errichten neuer Einkaufspassagen und Gewerbezentren in den Innenstadtbezirken nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nimmt, verdienen doch hin und wieder positive Begleiteffekte dieses ruinösen Bauwahns unsere Aufmerksamkeit. So müssen jene Investoren, welche derzeit einen neuen Kommerzkasten an der Alexanderstraße bauen, für die Eliminierung des letzten Grüns in dieser Stadtecke 560000 Euro zahlen. Dieses Geld soll dem Volkspark Weinbergsweg zugute kommen, dessen Nutzungsquotient von Mensch pro m2 im Sommer wohl sogar den Mauerpark übertreffen dürfte.

Da die Finanzmittel zweckgebunden sind, dürfen in dem populären Gartendenkmal nur Grünmaßnahmen durchgeführt werden. Hierzu zählen die Entsiegelung und Erneuerung von Wegen, die Reparatur von Mauern und Treppenanlagen sowie Neupflanzungen in den Themengärten des Parks. Derzeit erarbeitet ein Landschaftsarchitekturbüro die Planungsunterlagen, welche im März der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen. Weitere Maßnahmen wie die Erneuerung der großen Rasenfläche, die Sanierung des Spielplatzes und der Einbau neuer Technik in der Sprühplansche sind im Rahmen des Förderprogramms „Stadtumbau Ost" beantragt, eine Entscheidung über die Mittelzuteilung wird im Sommer diesen Jahres erwartet.

An der Planung der Maßnahmen sind neben dem Grünflächenamt auch ein „Runder Tisch" von Anwohnern und der Präventionsrat des Bezirks beteiligt. Daß das Infrastrukturprojekt für Aufsehen sorgt, liegt auch daran, daß die Vertreibung mutmaßlicher Drogendealer zu einem Sanierungsziel erhoben und die Polizei an den Diskussionen um eine Neugestaltung des Parks beteiligt wurde. So sollen durch die Entfernung von hohen Sträuchern eine bessere Einsicht in den Park ermöglicht und etwaige „Drogenverstecke" im Zuge der Reparaturarbeiten beseitigt werden.

Nun kann nicht bestritten werden, daß im Umfeld des Weinbergsparks die Möglichkeit besteht, Drogen zu erwerben. Nach Auskunft der Polizei, welche ihre Razzien im vergangenen Jahr erheblich intensivierte, handelt es sich hierbei hauptsächlich um Cannabisprodukte. Eine Situation, wie sie auch im Mauerpark vorzufinden ist und welche bereits vor zwei Jahren im Zuge der Sanierung des Helmholtzplatzes für Diskussionsstoff sorgte. Die allgemeine Aufregung bleibt aber unverständlich, da sich hier nur der marktliberale Zeitgeist Geltung verschafft: Wo viel Nachfrage ist, wird auch ein entsprechendes Angebot bereitgestellt. Irgendwo muß der Stoff für durchtanzte Clubnächte und jene unzähligen Joints, die jeden Abend in den Bars und Kneipen von Prenzlauer Berg und Mitte in Rauch aufgehen, schließlich herkommen. Mythos und Aufstieg der Trendbezirke sind untrennbar mit Drogenkonsum verbunden ­ in erster Linie natürlich mit Alkoholgenuß, aber eben nicht nur.

Der Versuch einer Verdrängung von Dealern aus dem Weinbergspark mag daher die Gemüter der Anwohner beruhigen, doch mutet er angesichts der Freizeitkultur im Umfeld des Parks leicht anachronistisch an und stellt letztendlich nur eine weitere Etappe in einem Kampf gegen Windmühlen dar, der schon seit vielen Jahren verloren ist.

Thorsten Friedrich

 
 
 
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