Ausgabe 09 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Ideenwerkstatt oder Sprachschule

Von außen wirkt das Haus Kastanienallee 82 kaum wie eine Immobilie, um deren Besitz man sich wirklich streiten wollte. Doch hinter der etwas zurückgesetzten, blauen Fassade erstreckt sich ein beeindruckendes Areal mit gleich fünf Gebäuden und einem großzügigen Hofgelände. Da der Betrieb der dort beheimateten Gustave-Eiffel-Schule eingestellt wird, holte der Bezirk Interessensbekundungen für eine Nachnutzung ein. Zwei Bewerber – eine Genossenschaft, die aus der Bremer Höhe hervorgehen sollte, und das Sozialpädagogische Institut – konnten mit ihren Konzepten nicht überzeugen. Übrig blieb die Sprachenschule GLS, der ihr Gebäude in Schöneberg zu klein geworden ist und die in der Kastanienallee ihre Schulungsräume für allgemeine und berufsspezifische Deutschkurse und ein Hotel für ihre Kunden ansiedeln möchte. Nun beschloß die BVV Pankow, mit der GLS Erbpachtverhandlungen aufzunehmen.

Eigentlich könnte damit alles unter Dach und Fach sein, aber wie so oft in solchen Fragen hat sich bereits eine Bürgerinitiative mit anderen Zielen gegründet: das Forum K82. Hervorgegangen ist diese Initiative unter anderem aus einem Lehrauftrag des Architekten Matthias Heyden an der Kunsthochschule Weißensee. Dort ersann man eine mögliche Nachnutzung der Schule. Ergebnis war, daß nur eine heterogene Nutzung den architektonischen und stadtplanerischen Gegebenheiten Rechnung trägt. Auf den ersten Blick erscheint das Konzept des Forum K82 wie eines der üblichen Vorhaben junger städtischer Berufstätiger. Von Attraktivität ist dort die Rede, von Kreativität, Synergien, gar Global Networking. Auch steht im Konzept nichts von Kiez, sondern nur von Quartier.

Inhaltlich dagegen scheint das Vorhaben durchaus vernünftig: ein Gewerbekomplex für Kleinstunternehmer, Kulturschaffende, soziale und politische Projekte mit einem öffentlich zugänglichem Hof, Seminar- und Veranstaltungsräumen und vor allem vielen Räumen, die auch temporär angemietet werden können. Laut Heyden ist das die Pointe des Konzeptes, nimmt es doch auf die heutigen Arbeitsumstände Rücksicht, in denen die angesprochene Klientel sich von einem Projekt zum nächsten hangelt und nicht dauerhaft Büroräume oder Werkstätten braucht. Eine „Ideenwerkstatt für das Arbeiten im 21. Jahrhundert" ist das Ziel, keine Ansiedlung von etablierten Unternehmen. Fast 90 Gewerbetreibende und Initiativen haben bereits ihr Interesse an Räumen bekundet.

Für den Fall, daß die Verhandlungen mit der GLS scheitern, will das Forum K82 selbst eine Bewerbung beim Bezirk einreichen und sammelt Unterschriften – nicht als Protest gegen den BVV-Entschluß, sondern um die Betreiber der GLS zu überzeugen, daß sie sich doch lieber woanders ihr Revier suchen sollte. Heyden sieht durchaus noch Chancen für sein Projekt, hat er doch nicht nur Wohlwollen von den Bezirkspolitikern erfahren, sondern auch noch läuten hören, daß die GLS in Friedrichshain ein vielleicht geeigneteres Schulgebäude aufgetan hat. Ob der Bezirk, sollte die GLS ihre Bewerbung zurückziehen, wirklich das Forum K82 unterstützt, es ihnen gar treuhänderisch für eine kommunal erwünschte Nutzung überläßt, ist dennoch nicht sicher, hat man in Prenzlauer Berg doch mit ähnlichen Initiativen wie der immer wieder insolventen Kulturbrauerei oder dem finanziell noch immer ungesicherten Stadtbad in der Oderberger Straße nicht gerade gute Erfahrungen gemacht.

ks

Informationen unter www.k82.org

 
 
 
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