Ausgabe 04 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kleinstadtaffären

Manchmal kann Fußball sogar Frauen glücklich machen. Aber dafür gibt es eine gewisse Grundbedingung, nämlich die Ansehnlichkeit mindestens eines Spielers auf dem Rasen. Dieser Spieler taucht plötzlich Mitte der Neunziger im brandenburgischen Städtchen Sässlen auf. Er ist der Neuzugang des lokalen Vereins SV Sässlen und unschlagbar. „Blondie" wird er bald von den Fans genannt, dabei ist er tiefschwarz, Ade Banjo ist sein richtiger Name. Bald schreibt die Lokalpresse von Samba auf dem Rasen, schnell erlangt der Fußballverein überregionale Aufmerksamkeit. Schon nach kurzer Zeit planen die örtlichen Honoratioren ein neues Stadion, und auch andere wittern das große Geschäft.

Das triste Sässlen lebt auf. Fast möchte man von einem Wunder sprechen oder einem Märchen. Dabei ist es ein Film, Befreite Zone heißt er. Regie führte der in Bautzen geborene Norbert Baumgarten, der damit seine Abschlußarbeit an der Potsdamer Filmhochschule ablieferte. Der Mann kennt sich also im Osten aus. Dementsprechend wenig verklärt zeigt er die Provinztristesse.

Im Mittelpunkt steht Sylvia, Anfang zwanzig und mit dem Sohn des Chefs verlobt. Der betrügt sie jedoch mit der besten Freundin, was natürlich niemals herauskommen darf ­ aber prompt passiert. Sylvia läßt nun alle Zweifel beiseite und beginnt ein Techtelmechtel mit dem Fußballgott Banjo. Und das ist der Anfang vom Ende, denn der „Bimbo" vergißt darüber das Fußballspielen, und außerdem kommt ein böser Bayer in einem großen Auto, der ihn abwerben will.

So ist ein schönes ostdeutsches Provinzlustspiel entstanden, das zum Glück mehr mit britischen Underdogkomödien gemein hat als mit Good bye, Lenin, der dagegen ein wenig schwerfällig wirkt. Ein Film voller komischer Szenen, etwa, wenn die Honoratioren konspirativ in der Kneipe tagen, um über das neue Stadion zu reden, während ihre Damen beim Weißweinschoppen über die „soziologischen" Unterschiede zwischen Schwarzen und Einheimischen philosophieren. Am Ende sind alle glücklich und zufrieden. Eigentlich könnte der Film aber auch in Wanne-Eickel spielen.

Ingrid Beerbaum

 
 
 
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