Ausgabe 03 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

musik für die massen: Le Tour

Eine bunte Szene aus einem Wüstenort – kein Stereotyp auslassend in naiver Malerei dargestellt. Dazu der passende Titel Sahara Lounge (Exil Musik). Ja, wir haben verstanden: Weltmusik trifft Elektrosound, Orient zu Besuch im Metropolen-Club. Aber schmeißen wir mal die Vorurteile über Bord und überhören die eine oder andere anbiedernde Nummer: Was dann bleibt, sind wirkliche Überraschungen. Vor allem der Rückgriff auf Dub und TripHop-Elemente erzeugt eine klischeefreie Experimentierzone zwischen Dancefloor und entspanntem Elektrosound.

Gleichfalls aus Afrika kommt eine Zusammenstellung, die mit deutlich härteren Beats und Statements arbeitet ­ und dazu noch ein wesentlich cooleres Artwork aufzuweisen hat: Mzansi Music (Trikont). Mzansi steht umgangssprachlich für Südafrika. Mzansi Music dokumentiert eine Entwicklung, die Südafrika zehn Jahre nach dem Ende des Apartheidregimes im Bereich Jugendkultur und Musik durchlaufen hat. Freie Radiostationen, Zeitschriften und Clubs ließen eine neue Subkultur entstehen: „Zum ersten Mal in der Geschichte der südafrikanischen Massenmedien bekamen junge Schwarze die Gelegenheit, die Dinge aus ihrer Sicht zu erzählen", beschreibt Maria McCloy diese Entwicklung in dem umfangreichen Booklet. HipHop und House dominieren diese Zusammenstellung durchgängig tanzbarer Musik. Produktionen aus Wohnzimmerstudios sind genauso vertreten wie die aus den Studios der großen Stars. Eine Momentaufnahme aus Südafrika im Jahr 2004.

Mit dem Sampler Reggae Germany Downtown (Echobeach) wird es zwar wieder heikel, was die Peinlichkeitsgrenze in Sachen Covergestaltung betrifft, dafür bietet die Zusammenstellung einen großartigen Überblick über die Raggae-Dancehall-Szene in Deutschland. Neben Stars wie Jan Delay, Fettes Brot und D-Flame finden sich auch weniger bekannte Namen. Besonders der erste Teil des Samplers macht deutlich, was diese Szene vom HipHop-Lager unterscheidet: Die Texte kreisen größtenteils um politische und gesellschaftliche Themen und sind meilenweit von selbstgefälligem Rumgepose entfernt. Da das Zeug noch extrem gut tanzbar ist, macht die Kompilation ziemlich viel Spaß.

Ganz ohne Abstriche ist der Sampler Le Tour (Peacelounge) zu empfehlen: stilvolle Covergestaltung, kurze und prägnante Infos in den LinerNotes und dann natürlich die Auswahl der Songs. Großartig! Verantwortlich dafür zeichnet Thomas Bohnet. Der organisierte jahrelang im fernen Konstanz die Veranstaltungsreihe Tour de France, bei der er ausschließlich französische Musik auflegte. Er spielte neben den Klassikern und neuen Stars der Elektronikszene auch Indie-Rock, Chansons und Tanzbares aus den Bereichen Ska und Reggae. Der Erfolg blieb nicht aus, und die Nachfrage nach einem Sampler zu diesem Thema wuchs. Voilà ­ hier ist er: geschmackvoll und stilsicher.

Marcus Peter

 
 
 
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