Ausgabe 03 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Umweltbewußtsein kommunizieren

Lokale Agenda 21 (V): Kultur und Nachhaltigkeit

Im Dickicht der Agendaprojekte ist naturgemäß viel von Ökologie und Umweltpolitik und nur am Rande von Kultur die Rede. Und wenn, dann geht es meist um Interkulturalität; so gibt es etwa ein Projekt, bei dem gemeinsam mit Migranten Natur „geschützt und gestaltet" werden, sogenannte interkulturelle Gärten entstehen sollen. Es gibt allerdings Stimmen, die sich für eine „kulturpolitische Fundierung" der Umweltpolitik einsetzen und in ihrem Fehlen ein entscheidendes Manko beklagen. So sprechen Hildegard Kurt und Michael Wehrspaun in einem Aufsatz gar von der Kultur als einem „verdrängten Schwerpunkt des Nachhaltigkeits-Leitbildes". In den mehr als zehn Jahren seit der Konferenz von Rio de Janeiro, wo das „Leitbild Nachhaltige Entwicklung" in die Welt gesetzt wurde, sei es nicht gelungen, diesen Begriff auch entsprechend unters Volk zu bringen. Laut einer Untersuchung des Bundesumweltamtes konnten gerade mal 10 bis 15 Prozent der Befragten etwas mit dem Begriff der Nachhaltigkeit anfangen. Es liegt also ein Kommunikationsproblem vor, und hier sind natürlich kulturelle Kompetenzen gefragt. Dem Leitbild fehlt seine „kulturelle Anschlußfähigkeit" in der realen Lebenswelt (Kurt/Wehrspaun).

Auch in einem „Tutzinger Manifest" anläßlich der Tagung „Ästhetik und Nachhaltigkeit" wurde im April 2001 ­ mit Blick auf den bevorstehenden Umweltgipfel in Johannesburg ­ eine Öffnung der Agenda 21 für Kultur und Ästhetik gefordert. Es seien Formen zu finden und zu entwickeln, die dem Leitbild der Nachhaltigkeit entsprächen: „Nachhaltigkeit braucht und produziert Kultur". Die Kultur als „querliegende Dimension" biete außerdem die Chance, die spezialisierten Fachdiskurse zusammenzubinden. Daran knüpfen die Tutzinger Tagungsteilnehmer die Frage: „Worin unterscheiden sich nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsstile ästhetisch von den vorherrschenden nicht-nachhaltigen Produktions-, Arbeits- und Lebensformen?"

Zunächst einmal wohl darin, daß sie auf Ästhetik keinen gesteigerten Wert legen. Denn mit ästhetischen Innovationen werden Ökologie und Umweltbewußtsein kaum in Verbindung gebracht. Öko-Produkte scheren sich selten um Gestaltung, fairer Handel ist nicht unbedingt Bestandteil eines bei Jugendlichen angesagten Lifestyle. Nicht einmal von der Achtziger-Jahre-Retro haben die „Ökos" profitieren können. Joseph Beuys ist tot, und wenn man an zeitgemäße Formen von Kunst denkt, dann bestimmt nicht an Ben Wargins „Parlament der Bäume" und ähnliche Manifestationen des guten Willens. Auch die in Tutzing ausgegebene „Kategorie Schönheit" ist schwerlich dazu geeignet, an ästhetische Debatten auf der Höhe der Zeit „anzuschließen". Wenn Kurt/Wehrspaun aber dekretieren, der „Kulturferne dominanter Strömungen in der Nachhaltigkeitsdiskussion" entspreche die „Naturferne der modernen Kulturbegriffe", gar ein „Zentrum für Kunst und Zukunftsfähigkeit", eine Art ökologisches Bauhaus fordern, dann reden sie einem Kulturkonservatismus das Wort, der die ästhetische Moderne für alle Übel in der Welt verantwortlich machen will. Botho Strauß grüßt aus der Uckermark.

Aber zurück auf den Boden der Agenda-Tatsachen: Ein Projekt, das sich dem Problem der ästhetischen Vermittlung ökologischen Bewußtseins verschrieben hat, ist der „Nachhaltige Filmblick". Nun ist freilich nicht die Ästhetik der Kameraeinstellungen eine nachhaltige, vielmehr geht es um einen filmischen Blick auf die vielbeschworene Nachhaltigkeit. Eine Gruppe von 28 Filmstudenten, jungen Wissenschaftlern und Werbeleuten hat eine Reihe von höchstens eineinhalbminütigen Spots zum Einsatz in Kinos erstellt, mit denen die „Generation X" erreicht werden soll. Das Motto hieß „Think positive", man wollte von den Katastrophenbildern wegkommen, mit denen traditionell Umweltbewußtsein angemahnt wurde, keine Bilder von toten Vögeln nach der jüngsten Ölpest, sondern witzige und spritzige Clips. Das hat zu Ergebnissen geführt wie dem folgenden: In Bumerang tollen Vater und Sohn zu Vogelgezwitscher und Klaviermusik auf einer Wiese herum. Der Vater wirft einen Bumerang, der auch wieder zurückgeflogen kommt ­ und den Sohn zu Boden streckt, worauf ein Merksatz eingeblendet wird: „Alles was Sie tun, kommt auf die nächste Generation zurück. Für eine nachhaltige Gerechtigkeit." Eine neue „Ästhetik der Nachhaltigkeit" ist das nicht; werben kann man mehr oder weniger geschickt und originell natürlich für alles.

Peter Stirner

> Die Spots, teilweise auch in englischen, französischen und spanischen Fassungen, sowie umfangreiches Informationsmaterial unter:
www.nachhaltiger-filmblick.de

 
 
 
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