Ausgabe 03 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Künstler unerwünscht

Wenn für Berlin die Werbetrommel gerührt wird, dann ist immer – wovon auch sonst? – von der „Kulturmetropole" die Rede. Der rot-rote Senat freilich tut alles dafür, diesen Ruf und die Infrastruktur, auf dem er sich gründet, nachhaltig zu beschädigen. Das betrifft nicht nur die großen, repräsentativen Institutionen, das Hantieren mit Millionen, etwa die Opernhäuser, die profil-, im Fall der Deutschen Oper gar führungslos vor sich hinwursteln, oder die Berliner Symphoniker als das jüngste Bauernopfer. Die Berliner kulturpolitische Mischung aus Inkompetenz und blindwütigem Sparen verbreitet ihren Schrecken längst auch an der Basis. Jetzt geht es den bildenden Künstlern an den Kragen.

Schon vor einem Jahr, im zehnten Jahr seines Bestehens, mußte das sogenannte Ateliersofortprogramm, das vielen Künstlern das Anmieten von Arbeitsräumen ermöglicht, eine Kürzung um 100000 Euro verkraften. Nun steht es ganz vor dem Aus – und viele bildende Künstler finden sich wohl auf der Straße wieder. Gegen das Votum der zuständigen Fachgremien und ohne Befassung der Senatskulturverwaltung beschloß die Koalitionsmehrheit im Haushaltsausschuß Anfang März die unbefristete Sperrung sämtlicher Mittel. Auslaufende Mietverträge dürfen demnach nicht verlängert, neue nicht geschlossen werden. Die ersten Künstler erhielten schon wenige Tage später ihre Kündigung. Der Berufsverband Bildender Künstler (bbk) spricht von einem Beschluß „im Stileeines Putsches". Wenn diese Beschlüsse durchgezogen werden, werden die Künstler aus den mehr als 350 Ateliers in zwei Jahren vertrieben sein. Dabei ist der Spareffekt mehr als fragwürdig. Der Senat wird erst mal Atelierleerstand subventionieren müssen.

Der bbk ist von der Effizienz und Wichtigkeit des Atelierprogramms überzeugt, bei dem mit einem Minimum an öffentlichen Mitteln ein Maximum erreicht werde. Denn 60 Prozent der Mietkosten müssen die Künstler ohnehin selbst bezahlen. Im Atelierbüro liegen derzeit 2500 Bedarfsmeldungen vor, weshalb der bbk einen Ausbau des erfolgreichen Programms fordert. Derweil haben die Koalitionäre Kultursenator Thomas Flierl den schwarzen Peter zugeschoben. Der muß bis zum 15. April einen „Bericht zum Atelierprogramm" vorlegen, aufgrund dessen dann über die Zukunft des Programms „nachgedacht" werden soll. Bis dahin sind die Kündigungen ausgesetzt. Der bbk sieht deshalb aber noch keinen Grund zur Entwarnung und mobilisiert weiter.

Nur konsequent, daß die Künstler am 28. März vor der Neuen Nationalgalerie protestierten, wo derzeit die große MoMA-Ausstellung die Massen anzieht. Für viel Geld repräsentative Ausstellungen einkaufen kann auch die Kunsthalle Tübingen. Das zieht zwar Touristen an, macht eine Stadt aber noch lange zu keiner Kulturmetropole. Die Berliner Koalition sollte das begreifen, bevor es zu spät ist und die internationale Künstlerschaft der Stadt den Rücken kehrt. Herbert Mondry vom bbk kündigt an: „Die Künstlerinnen und Künstler werden sich viel einfallen lassen, um nicht aus Berlin vertrieben zu werden."

hb

 
 
 
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