Ausgabe 10 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Berliner Nabelschau

Das Nickelodeon zeigt Filme über die geteilte Stadt

Für manche Filme ist man zu jung, um sie im Kino gesehen haben zu können. Manche hat man schlichtweg verpaßt. So ist der Kinointeressierte dankbar für Filmreihen, die ein möglichst breites Spektrum abdecken. Seit dem 20. November bietet das Kino Nickelodeon eine der ganz besonderen Sorte: Berlin – Geteilte Stadt heißt die Reihe und zeigt bis Mitte Februar Filme aus fünf Jahrzehnten, sowohl ost- als auch westdeutscher Provenienz.

Ausgangspunkt war jedoch kein Jubiläum, sondern ein Seminar, das die Soziologiestudentin Iris Praefke in den USA besuchte. Dort nahm ein Professor Filme zur Veranschaulichung zu Hilfe. Das wollte sie auch in Berlin versuchen. Herausgekommen ist ein Seminar über geteilte Städte und eben diese Filmreihe, die darum auch unter Schirmherrschaft von Hartmut Häußermann, Professor für Stadt- und Regionalsoziologie am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt Universität, steht.

Gezeigt werden insgesamt zehn Filme, jede Woche ein anderer. Den Auftakt machte Billy Wilders Eins, Zwei, Drei. Damit aber nicht genug. Zu jedem Film wird es am Donnerstag um 17.15 Uhr eine Einführung in Form eines Vortrags geben, die von so hochkarätigen Autoren wie Claus Löser oder Kurt Laser gehalten werden. Nach dem Film ist das Publikum zu einem Gespräch eingeladen. Hier werden am jeweiligen Film beteiligte Schauspieler oder die Regisseure zur Verfügung stehen. Als eine Art Rahmenprogramm gibt es übrigens noch eine Fotoausstellung der Berliner Künstlerin Kirsten Kiesow mit dem schönen Titel Berlin Frollein zu sehen, eine kleine ironische Betrachtung des heutigen Berlin.

Die Filmauswahl beinhaltet so ziemlich alle „Mauer-Highlights". Der älteste Film ist von 1957, Berlin ­ Ecke Schönhauser, und damit der einzige in dieser Reihe, der vor dem Mauerbau fertiggestellt wurde. Die Auswahl kann man einteilen in Filme, die kurz nach dem Mauerbau entstanden, wie Der geteilte Himmel, oder deren Fertigstellung dadurch erschwert wurde, wie ...und deine Liebe auch, und eben Eins, Zwei, Drei. Dann gibt es die „Endzeitfilme" wie Der Himmel über Berlin. Der Rest beschäftigt sich mit der Nachwendezeit. Das geht von Der Strass bis hin zum wehmütigen Rückblick Mittendrin aus diesem Jahr.

Daß hier nur die bekannteren Mauer-Werke gezeigt werden, könnte man den Veranstaltern zum Vorwurf machen, wenn dieses Projekt nicht ausschließlich durch Selbstausbeutung, ein paar Sponsoren und die Hoffnung, daß genug Eintrittskarten verkauft werden, finanziert würde. So gesehen ist in einem knappen halben Jahr Vorbereitungszeit ein ansehliches Programm entstanden, das sowohl dem Vergnügen als auch der Bildung dienen kann. Wann hat man schon die Gelegenheit, diese Filme im Kino zu sehen, statt im Nachtprogramm der ARD, wenn überhaupt? Um das Projekt verwirklichen zu können, mußte man sich allerdings auf den Kompromiß einlassen, die Filme um 18 Uhr beginnen zu lassen. Damit wird vielleicht das klassische Publikum abgeschreckt. Der echte Cineast geht jedoch, wenn es sein muß, auch am späten Nachmittag ins Kino.

Ingrid Beerbaum

„Berlin – Geteilte Stadt" bis zum 18. Februar im Nickelodeon, Torstr. 216, Mitte. Vorträge an jedem Donnerstag 17.15 Uhr, Filme ab 18 Uhr, danach Publikumsgespräche, Infos unter www.stadt-im-film.de

 
 
 
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