Ausgabe 10 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Lotte Laserstein, Malerin der Frauen

Nicht jeder aus Nazi-Deutschland geflohene Künstler, dessen Werke ausgegraben und dem „kulturellen Gedächtnis" zugeführt werden, ist eine Entdekkung. Die Malerei von Lotte Laserstein (1898-1993) jedoch ist eine echte Bereicherung. Vor 1933 bereits anerkannt und relativ erfolgreich, emigrierte sie 1937 als „Dreivierteljüdin" aus Berlin nach Schweden, wo sie sich mit Porträt-Aufträgen durchschlug und den Rest ihres langen Lebens verbrachte. Erst Ende der achtziger Jahre wurde Laserstein wieder in London ausgestellt.

Zum ersten Mal in Deutschland haben nun das Verborgene Museum und die Stiftung Stadtmuseum im Ephraim-Palais einen großen Teil der Bilder zusammengetragen, die sonst so gut wie ausschließlich an privaten Wänden in Schweden und England hängen. Ein junges Mädchen mit dunklem Bubikopf und sinnlichem Mund auf blauem Diwan, eine herbe Tennisspielerin, nachdenkliche Frauen mit modischen Hüten an Großstadttresen ­ und immer wieder Selbstportraits, oft mit Modellen, die ihr aufmerksam oder besorgt über die Schulter schauen. Die Ausstellung läßt keinen Zweifel, daß Frauen für Lotte Laserstein als Motive, Musen und Vertraute eine zentrale Position einnahmen.

In den zwanziger Jahren fand Laserstein in der engen Freundin Traute Rose ein wandlungsfähiges Modell, das ihren Vorstellungen der „Neuen Frau" vollkommen entsprach. Statt „Frau mit Karokleid" trägt ein Bild einfach den Titel „Das Karokleid" – im Gewühl der Metropole bleibt oft nur der flüchtige Eindruck eines modischen Kleidungsstücks. An Motivwahl und kleinen Details merkt der Betrachter, daß die Malerin dem weiblichen Alltag näher stand als ihre männlichen Kollegen. Sie hielt ihn nicht nur als Illustratorin für Frauenzeitungen, sondern auch ohne Auftrag fest. Mit drei großen Selbstbildnissen aus den Jahren 1928 bis 1931, die Lotte Laserstein beim Malen in ihrem Berliner Atelier zeigen, beginnt die Ausstellung. In den weiteren Räumen finden sich Zeugnisse ihrer Selbstbefragung vor der Leinwand aus späteren Lebensjahrzehnten. Zusammen bilden sie die beeindruckende Autobiographie einer Künstlerin.

Annette Zerpner

„Lotte Laserstein 1898-1993 – Meine einzige Wirklichkeit", bis zum 1. Februar 2004 im Museum Ephraim-Palais, Nikolaiviertel, Poststr. 16, Mitte, Di bis So 10-18 Uhr.

 
 
 
Ausgabe 10 - 2003 © scheinschlag 2003/04