Ausgabe 10 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurznachrichten

spötteln

„Wie in der Bananenrepublik", spötteln die Berliner Grünen: Auf dem leeren Grundstück am Alex, das aus der Vogelperspektive der Stadtplaner wie eine Banane aussieht, will der internationale Multi Sonae ein gigantisches Einkaufszentrum mit Büroturm errichten. Die Grünen kritisieren den groben Städtebau und den Überfluß an Einzelhandelsflächen, der für viele Läden das Ende bedeuten dürfte. Besonders ärgerlich: Die Risiken übernimmt die städtische Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO ­ und damit das Land. Die lange Liste gescheiterter Großprojekte irritiert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung offenbar nicht, im Gegenteil: Ihr Hang zu „Hochhausgewittern" könnte auch dem Breitscheidplatz am Zoo nun zwei Wolkenkratzer bescheren, die in der Fachwelt umstritten und womöglich völlig überflüssig sind. Man sei mit „einigen Interessenten im Gespräch", hieß es in der Senatsverwaltung. Was da besprochen wird, kann man schon erahnen.

trödeln

Bis 2006 will der Senat aus der Förderung der fünf städtebaulichen Entwicklungsgebiete aussteigen. Selbst Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) dämmerte es wohl, daß die bisherigen Planungen nur auf schönen Träumen fußten, dafür aber bereits eine knappe Milliarde Euro verschlangen. Auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes an der Eldenaer Straße z.B. hätten 2700 Wohnungen gebaut werden sollen. Tatsächlich entstanden nach über zehn Jahren nur 220; der Rest des Geländes blieb eine zugige Brache. Inzwischen wird nicht mehr getrödelt: Am S-Bahnhof Storkower Straße ging man dazu über, die Grundstücke regelrecht zu verramschen, und stampfte ein paar flächenfressende Vorstadt-Supermärkte und Möbelhäuser aus dem Boden. Öffentliche Gelder werden die „Millionengräber" aber weiterhin vernichten, ein „rechtssicherer Ausstieg" kostet laut Strieder noch einmal 120 Mio. Euro.

tadeln

Der Streit um den staatlich subventionierten Sozialwohnungsbau geht in eine neue Runde. Nachdem bislang alles auf einen Sieg der Wohnungsbauunternehmen hingedeutet hatte, wies das Berliner Verwaltungsgericht nun die Klage dreier Unternehmen ab. Sie wollten zusammen 12,5 Mio. Euro „Anschlußförderung" erzwingen ­ obwohl das bisherige, an Korruption grenzende Subventionssystem sogar von ihrem eigenen Anwalt (dem ehemaligen Bau- und Finanzsenator Klaus Riebschläger) als „schandbar" getadelt wurde. Natürlich geht man in Revision, so daß sich der Rechtstreit wohl Jahre hinziehen wird. Die meisten betroffenen Mieter dürften bis dahin verschwunden sein: Ihnen werden erhebliche Mietsteigerungen zugemutet. Auch hier ist das Land unnachgiebig und zahlt nur in Härtefällen einen Mietausgleich.

nadeln

Nach Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover und Aachen werden ab Januar 2004 auch in Berlin nach langem Hin und Her sogenannte Druckräume oder Fixerstuben eingerichtet. In solchen Räumen können sich Junkies unter medizinischer Aufsicht, mit sauberen Spritzen und selbst mitgebrachten Stoff ihren Schuß setzen. Mit Hilfe dieser Einrichtungen sollen Krankheiten wie Aids, Hepatitis C und Herzklappenentzündungen eingedämmt, die Gesundheit der Fixer stabilisiert und ihnen schlicht das Überleben gesichert werden. Neben den Druckräumen, die in der Moabiter Turmstraße und in der Dresdener Straße in Kreuzberg eröffnet werden, wird es einen Druckbus geben, der regelmäßig die Jebenstraße am Bahnhof Zoo und die Kurfürstenstraße ansteuert.

termine

> Am 16. Dezember um 19 Uhr lädt der ehemalige Vorbereitungskreis für die Demonstration am 1. November zu einem „Gemeinsamen Berliner Plenum gegen Sozialkahlschlag" ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wo das stattfinden wird und weitere Informationen unter fon 32761818 oder e-post llx@infocity.de

> Nach „Pirated Spaces" und „UFO Belgrade" kommt nun die dritte Veranstaltungsreihe in den „Urban Drift Projektraum". Es geht um die „Mechanik der Medientechnologie" oder „Reisen durch den Daten-Äther". Am 12. Dezember um 21 Uhr performiert AC Hottich die „Sprache der Architektur" – zum Glück „mit viel Humor". Bis 20. Dezember im Bikinihaus, Budapester Straße 48, Charlottenburg.

> Noch bis zum 31. Dezember können Einzelpersonen oder Projekte, die sich um Integration von Zuwanderern verdient gemacht haben, für den mit bis zu 1000 Euro dotierten „Integrationspreis 2003" der BVV Mitte vorgeschlagen werden: Büro der BVV Mitte, Parochialstraße 3, 10179 Berlin. Informationen unter www.berlin-mitte.de

> Bis zum 22. Februar kann man sich Do bis So von 16 bis 19 Uhr im Jagdschloß Grunewald am Grunewaldsee über die Gefahren informieren, die dem Stadtmenschen aus der städtischen Tierwelt drohen. Pünktlich zur Präsentation der Wildschweinbroschüre aus der Reihe „Wildtiere im Stadtgebiet" (Bestellungen unter 90122222) zeigt Florian Möllers in der Ausstellung „Auf Rüsselhöhe mit Hauptstadtschweinen" Fotos zum Verhältnis von Mensch und Wildschwein.

scheinschlag sucht

weiter Leute, die über Stadtentwicklung und Stadtpolitik schreiben können und wollen: Bezirkspolitik, Stadtentwicklungstendenzen und den gesellschaftlichen Wandel in Berlin. Bei Interesse wendet euch bitte an die Redaktion: fon 28599063, e-post info@scheinschlag.de

scheinschlag lädt ein

zum Offenen Redaktionstreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a. Über künftige Autoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, dem 13. Dezember 2003, um 14 Uhr statt.

 
 
 
Ausgabe 10 - 2003 © scheinschlag 2003/04