Ausgabe 10 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Versteigerungspoker ums Schwarzenberg

Erst einmal Ruhe im Haus Schwarzenberg. Keine Soli-Versteigerungen mehr, keine Pressekonferenzen oder Spendenaktionen. Stattdessen das normale Programm: Design und Filmproduktion, Comicausstellungen oder solche zu deutsch-jüdischer Geschichte, seltsame Veranstaltungen wie die „Friendly Capitalism Lounge", „Berlins subversivster Quartalsdisko", die „Kunst und Club" „zusammenschnürt".

„Wir freuen uns, wieder normal arbeiten zu können. Wir müssen uns erstmal regenerieren", sagt Henryk Weiffenbach vom Vorstand des Schwarzenberg e.V. Seit der Rückübertragung an eine zerstrittene Erbengemeinschaft droht dem Haus am Hackeschen Markt die Versteigerung und damit die feindliche Übernahme durch die Immobilienwirtschaft, die an der guten Adresse viel Geld wittert. Eilig mobilisierte man Verbündete, sammelte Spenden und alarmierte die Öffentlichkeit. Mit Erfolg: Die Presse pflegt gegenüber dem „Szene-Biotop" (Berliner Zeitung) und „Überbleibsel der bereits legendären Berliner Nachwendekultur" (Art) einen väterlichen Tonfall, bis in die Bundespolitik fand das Haus Unterstützer.

Nachdem beim ersten Versteigerungstermin niemand bieten wollte, erhielt am 4. November die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) den Zuschlag. Seit der Gründung des Hauses Schwarzenberg 1995 hatte die WBM das Haus wohlwollend verwaltet. Nun wollte sie es übernehmen, um es später einer neu zu gründenden Stiftung zu übertragen und das bewährte Selbstverwaltungsmodell zu erhalten. „Das Schwarzenberg ist fast gerettet", jubelte der Verein.

Aber nur fast. Der Hauptkonkurrent, der Immobilienentwickler Harm Müller-Spreer, der in der Nachbarschaft schon einige Häuser besitzt und sich bereits im Vorweg in die Erbengemeinschaft eingekauft hatte, gab nicht auf. Obwohl er selbst schon bei 1,9 Mio. Euro ­ also weit unter den 2,5 Millionen der WBM ­ ausgestiegen war, wurde der Kaufpreis auf sein Betreiben für „zu niedrig" erklärt. Es half auch nichts, daß sich ein Teil der Erben mit Preis und Erwerber einverstanden erklärte: Mit formaljuristischen Argumenten (Ein Erbe war kurz zuvor gestorben, seine Vertretung dementsprechend strittig) wurde die Legitimation ihres Anwalts in Frage gestellt.

Untypisch für Schnäppchenjäger: Müller-Spreer spielt auf Zeit. Bis das Landgericht entschieden hat, werden wohl Monate vergehen. Dann ist entweder die WBM die neue Eigentümerin, oder es gibt einen erneutes Versteigerungspoker. Bis dahin, hofft Weiffenbach, hat man wieder Kräfte gesammelt.

jt

Friendly Capitalism Lounge am Freitag, den 12. Dezember ab 21 Uhr im Schwarzenberg, Rosenthaler Straße 39, Mitte. Weitere Termine unter: www.haus-schwarzenberg.de

 
 
 
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