Ausgabe 05 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Keine Experimente

Die Staatlichen Museen setzen auf Glamour von außen

Foto: Jenny Wolf

Gähnende Leere in der Gemäldegalerie. Im Kunstgewerbemuseum hört man den Staub auf Vitrinen fallen. Im Hamburger Bahnhof glaubt eine Touristin, sich in der Adresse vertan zu haben. Die Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin sind wegen ihrer Sammlungen weltberühmt, aber populär sind sie deswegen nicht. Kunsthistoriker wie Florian Engel vermissen in der Ausstellungspolitik der Staatlichen Museen jegliche Innovation: „Berlin ist längst in die Riege einer Provinzstadt abgestiegen." Die Künstlerin Claudia Hausen findet die Ausstellungen „einfach uninteressant."

Harte Urteile, die überzogen scheinen, aber die Realität beschreiben, da große Ausstellungen, die überregionale Akzente setzen, seit Jahren vermißt werden. Dröge dümpeln die Staatlichen Museen vor sich hin. Das künstlerische Umfeld in der Stadt wird von den Kuratoren nicht wahrgenommen. Viele Berliner Künstler fühlen sich von den Ausstellungsmachern der Museen im Stich gelassen. „Die interessieren sich nicht für uns. Andernorts feiert man Riesenerfolge, aber hier zeigen einem die Museumsleute die kalte Schulter", beschreibt ein bekannter Künstler die Situation. Seinen Namen will er nicht genannt sehen, um sich nicht die letzte Chance auf einen Ankauf oder eine Ausstellung zu verbauen.

Dabei wäre gerade in der jetzigen Situation Berlins eine experimentierfreudige, aufgeschlossene Museumslandschaft besonders nötig. Denn die Kunstszene darbt. Renommierte Berliner Galerien wollen lieber auf der neuen Londoner Kunstmesse im Herbst ausstellen, als auf dem Art Forum in Berlin. Der Senat streicht Atelierprogramme und spart bei kleineren Ausstellungshäusern. Die freie Szene dreht sich im Kreis. Ganz läßt sich eben doch nicht ohne große Häuser und Ausstellungen eine kreative Stimmung in der Stadt herbeizaubern.

Doch der Kultursenator und der Generaldirektor der Staatlichen Museen wissen Abhilfe. Wenn eigene Ideen fehlen, schmückt man sich eben mit fremden Federn. Neben dem Hamburger Bahnhof soll die Flick-Sammlung für sieben Jahre gezeigt werden. In Zürich hat man eine Präsentation abgelehnt ­ wegen der Weigerung des 1944 geborenen Friedrich Christian Flick, sich am Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter zu beteiligen; der Grundstock seines Vermögens wurde durch Zwangsarbeit erwirtschaftet. In Berlin kennt man keine Skrupel und subventioniert zudem die laufenden Kosten. Als einzige Gegenleistung werden von Flick die Renovierungskosten der Rieck-Halle übernommen.

Ähnlich schlimm sieht es bei der Museumspolitik der Neuen Nationalgalerie aus. Der Generaldirektor der Staatlichen Museen, Peter-Klaus Schuster, feiert den Plan, nächstes Jahr Meisterwerke aus dem New Yorker Museum of Modern Art, kurz MoMA genannt, für ein halbes Jahr ausstellen zu dürfen, als großen Coup. Besonders originell ist das nicht. Schon vor zehn Jahren hatte die Ausstellungshalle des Bundes in Bonn Werke aus dem MoMA präsentiert. Zudem hat das MoMA lange nach einem finanzkräftigen Partner gesucht, der die Sammlung während der Umbauphase des eigenen Hauses aufnimmt. Die Rede ist von über 13 Millionen Euro Kosten. Der hohe finanzielle Aufwand führt zu Absagen anderer Präsentationen und einer peinlichen Armani-Ausstellung, die Geld in die Kassen bringen soll.

Ob die MoMA-Werke und die Flick-Sammlung wirklich den nötigen Schwung für die Berliner Kunstszene bringen, ist zu bezweifeln. Das Geld hätte man sinnvoller investieren können. Aber zumindest werden sich dann die Touristen für einige Zeit nicht mehr so allein in den Museen fühlen.

Spunk Seipel

 
 
 
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