Ausgabe 05 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Unschuldige Cowboygürtel statt Napalm

Waffen wie Sauerbier

Alle reden von Waffen – aber keiner scheint eine haben zu wollen. Vom 16. bis 18. Mai bot Berlin seinen Bewohnern eine „Waffenbörse". Damit sich, wer noch keine hat, eine Waffe zulegen kann. Pardon – es geht, klären uns Eingeweihte auf, insbesondere um Waffensammler, die zur Waffenbörse kommen sollen. Also: Damit sich der Berliner Waffensammler zur Vervollständigung seiner Sammlung eine neue Waffe zulegen kann. Natürlich nur, sofern er einen Waffenbesitzschein besitzt. Oder damit sich, wer nicht weiß, wie er seine Waffe bedienen soll, mit entsprechenden Informationen versorgen kann. Auch wen es nach Originaluniformknöpfen aus dem Zweiten Weltkrieg verlangt, der hätte die Gelegenheit gehabt, welche zu erstehen. Und Literatur gibt es bergeweise: Über die geheimnisumwitterte Schlacht bei Dünkirchen, das Scheißen im Wald, Deutsche Helme zwischen 1887 und 1914 und Fremdenlegionäre in Indochina. Ein sagenhaft konzeptloses Durcheinander von Waffen (Gewehren, Pistolen, Messern), Waffenähnlichem, Waffenzubehör und Dingen, die mit Waffen zu tun haben, oder mit Kriegen, mit Outdoorspielen oder mit nichts von all dem (Reisewecker mit Jägerhenkel, Wissenswertes zum Liebesspiel im freien Gelände). Wer sich wohl das Konzept dieser Veranstaltung ausgedacht haben mag? Und gehören zur modernen Welt der Waffen nicht auch Panzer, Flugzeuge, Raketen, Napalm, Plutonium? Warum nicht wenigstens Literatur dazu? Warum nur Anleitungen zum Scharfschießen und nicht beispielsweise: Wie konstruiere ich eine Pershing?

Wir hätten uns gerne mit jemandem darüber unterhalten, doch die Waffenfreunde, Waffenhändler und Militärzubehörsammler sind scheu und verängstigt. Erfurt wäre auch ohne Waffenbörsen passiert, verteidigt sich ungefragt ein Mann, der mit Cowboygürteln handelt. Die Gesellschaft sei schuld, nicht die Cowboygürtel und auch nicht die Schützenvereine. Nur zwei Antikwaffenhändler reden mit uns und erklären, wie übel ihnen mitgespielt wird, wie kriegsuntüchtig ihre Gewehre sind und wie überklebt die Naziembleme. Und die Kauflust wäre arg zurückgegangen seit Erfurt, hören wir allenthalben. Arg zurückgegangen, schlimm. Und die Standorte, die man kriegt, werden immer schlechter. Früher noch die Kongreßhalle am Alex, jetzt Café Moskau. Man will ihnen aber auch nicht wünschen, daß die Handvoll Besucher, die zwischen den Tischen im Café Moskau herumschleicht, sich in den Weiten einer großen Messehalle vollends verliert. Es ist so schon peinlich. Aber wer braucht auch abgesägte Gewehre aus dem Zweiten Weltkrieg, Softair-Uzis, Pickelhauben?

Die Besucher weisen wenig markante Merkmale auf. Sie sind meist männlich, und niemand sieht reich oder schön aus. Vor allem aber sind sie nicht zahlreich. Gähnende Händler witzeln über ausgebliebene Gewinne und pakken Stunden vor Ende der Börse bereits zusammen. Hatte noch vor Beginn der Waffenbörse Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, davor gewarnt, daß „von solch einer Veranstaltung Anreize ausgehen", die die Anwendung von Waffen fördern könnten, darf man schon fast aufatmen. Wenn sich der Berliner mit Waffen eindeckt, dann jedenfalls nicht hier. Die jungen Leute sitzen in der Eisdiele gegenüber. Die macht dieser Tage ein besseres Geschäft.

Tina Veihelmann

 
 
 
Ausgabe 05 - 2003 © scheinschlag 2003