Ausgabe 05 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Ungünstige Rahmenbedingungen

Modernisierung der Carl-Legien-Siedlung

Seit über zwei Jahren erregt die Sanierung der Wohnsiedlung „Carl Legien", gelegen an der Erich-Weinert-Straße im Milieuschutzgebiet Ostsee-/Grellstraße, die Gemüter in Prenzlauer Berg. 1999 erwarb die BauBeCon die 1929/30 von Bruno Taut errichtete denkmalgeschützte Siedlung mit 1144 Wohnungen. Der in Hannover ansässige Immobilienkonzern kündigte umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an und sorgte damit für erhebliche Unruhe unter den Mietern. Absehbar war eine Verdoppelung der bisherigen Mieten. Die Bewohner sind überwiegend einkommensschwach, darunter viele alte Menschen. Eine Mieterinitiative gründete sich, um Druck auf den Eigentümer und das mit der Sanierungsgenehmigung befaßte Bezirksamt auszuüben. Die BauBeCon aber bestand auf ihrem Maßnahmenkatalog und einer vollen Umlage der dadurch anfallenden Modernisierungskosten – wohl auch, weil sie einen relativ hohen Kaufpreis für die Siedlung entrichtet hatte, der nun refinanziert werden soll.

In den Zeitraum der zähen Verhandlungen zwischen Bezirksamt und Eigentümer fielen unglücklicherweise Gerichtsentscheidungen, die in Milieuschutzgebieten das Recht von Immobilienbesitzern anerkennen, Sanierungen auch ohne Auflagen des Bezirksamtes durchzuführen ­ sofern der geplante Wohnungsstandard die durchschnittlich im Gebiet vorhandene Wohnungsausstattung nicht übertrifft. Dies bestärkte natürlich die BauBeCon in ihrer Verhandlungsposition, keine Konzessionen zu machen. Der Bezirk dagegen bestand ­ auch aufgrund des öffentlichen Drucks ­ auf einem städtebaulichen Vertrag, um soziale Härtefälle abzufedern.

Anfang des Jahres forderte die BauBeCon empfindliche Mieterhöhungen von den Bewohnern der noch unsanierten, aber bereits mit Zentralheizung ausgestatteten Wohnungen. Deren Miete soll künftig bis 4,86 Euro pro m2 nettokalt betragen. Das ergäbe nach einer Sanierung eine Grundmiete von bis zu 6,20 Euro pro m2. Doch da sich Bezirk und BauBeCon nicht einigen konnten und mit einer Verzögerung der Baumaßnahmen zu rechnen ist, erschien ein Verkauf der Siedlung zunehmend wahrscheinlich. Daher gründete sich am 29. April diesen Jahres eine vom Mieterbeirat getragene Wohnungsbaugenossenschaft, um im Falle eines Verkaufs als potentieller Erwerber präsent zu sein.

Daß jedoch die Rahmenbedingungen für Kauf und Sanierung der Carl-Legien-Siedlung durch eine Mietergenossenschaft derzeit nicht günstig sind, räumen die Aktivisten ein. Schließlich strich der Senat im Rahmen der Haushaltsverhandlungen die Erwerbsförderung, die in Berlin Mietergenossenschaften unterstützen sollte. Ohne diese Förderung ist der Kauf der Anlage für die Genossenschaft kaum zu finanzieren. Deren nächsten Schritte sollen daher die Entwicklung eines tragfähigen Erwerbs- und Sanierungskonzepts sowie die Werbung weiterer Mitglieder und Unterstützer sein. Bisher ist die Resonanz seitens der Siedlungsbewohner allerdings nicht überragend. Doch wahrscheinlich können sich die Beteiligten die Mühe sparen. Denn am 23. Mai einigte man sich auf einer Sondersitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung der BVV Pankow, an der auch Vertreter der BauBeCon teilnahmen, doch noch auf einen städtebaulichen Vertrag.

Zu den Vereinbarungen zählt, daß keine Modernisierungsumlagen für genehmigungsbedürftige Maßnahmen erhoben werden, die über den im Gebiet vorhandenen Ausstattungsstandard hinausgehen. Diese dürften aber nur einen geringen Teil der anfallenden Modernisierungskosten ausmachen. Des weiteren will die BauBeCon bei allen Haushalten, die eine Modernisierungsvereinbarung abschließen, für die nächsten drei Jahre auf mietspiegelbezogene Mieterhöhungen verzichten. Am wichtigsten dürfte aber jene Regelung sein, nach der die Bruttowarmmiete nach Modernisierung für wohngeldberechtigte Haushalte auf maximal 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens inclusive Wohngeld begrenzt wird, wovon eine ganze Reihe von Mietparteien profitieren könnten. Nach dieser Einigung dürfte die BauBeCon kein Interesse an einem Verkauf der Siedlung haben, was der Genossenschaft die Existenzgrundlage entzieht. Doch trotz des städtebaulichen Vertrages sollten sich die Mieter der Siedlung keinen Illusionen über das Sanierungs- und zukünftige Bewirtschaftungsziel ihrer Eigentümerin hingeben, und das lautet: Rendite.

Thorsten Friedrich

 
 
 
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