Ausgabe 04 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurznachrichten

kicken

Der Berliner Fußballverband kündigte ein demonstratives „Kick-in" an, Hans- Christian Ströbele dribbelte vor Journalisten herum, der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider gab „Abscheu und Entsetzen" zu Protokoll. Die neue Rechtslage vor dem Reichstag, wo künftig keine Fußballspiele mehr erlaubt sind, hat wenig Freunde. Aber laut bezirklichem Grünflächenamt dient der gerade wieder angepflanzte Rasen eben der Repräsentation und ist allenfalls als Liegewiese benutzbar. Das Regierungsviertel sollte einst, betont „urban" und in den städtischen Kontext „integriert", Volksnähe demonstrieren. Nun hört es endgültig auf, Teil Berlins zu sein.

knickern

Der erste Termin zur Versteigerung des Schwarzenberg blieb folgenlos: Niemand wollte für die Immobilie in der Rosenthaler Straße 39, die das selbstverwaltete Kulturhaus beherbergt, die Hand heben. Trotz eines moderaten Mindestgebots zeigten weder die Verteter der Baulöwen aus der Nachbarschaft, noch der Schwarzenberg e.V., der das Haus selbst kaufen will, Interesse. Letzterer kann nun bis zum nächsten Termin seine Öffentlichkeitsarbeit intensivieren. Spendenkonto: Schwarzenberg e.V., Konto 326102679, Hypovereinsbank, BLZ 10010890.

kritzeln

Die S-Bahn hat ihr Kopfgeld für Sprüher aufgestockt: Denunzianten können sich künftig auf bis zu 600 Euro Prämie freuen. Die Bahner dürfen sich breiter Unterstützung sicher sein; in Zeitungsleserbriefen werden regelmäßig drakonische Strafen und Verkaufsverbote für Sprühdosen gefordert. Keinen Aufwand scheuen die Liebhaber leerer Flächen, wenn es gegen „Schmierereien" geht. Einmal abgesehen von ästhetischen Fragen: Die jährlich ca. 50 Millionen Euro, die nach Schätzungen des Vereins Noffiti in Berlin für Graffitibeseitigung ausgegeben werden, sind wirklich eine Idiotie. Allerdings ist nicht die kalligrafische Arbeit der Künstler daran schuld, sondern die allgemeine Putzsucht.

kiffen

Auch nachdem selbst weniger liberale Zeitgenossen einsehen mußten, daß es sich bei Hanf um eine ökologisch wertvolle, preiswerte und eher gesunde denn schädliche Pflanze handelt, bleibt die versprochene Abkehr vom Repressionskurs gegen Selbstanbauer aus. Laut der Grünen Hilfe Berlin nehmen die Schikanen gegen Cannabis-Subsistenzwirtschafter sogar zu. Zur Zeit sitzen sieben Kiffer in U-Haft, weil bei ihnen im Zuge nicht gerade zimperlicher Wohnungsdurchsuchungen Grünpflanzen dieser Art gefunden wurden. Die Grüne Hilfe fordert die sofortige Freilassung der Gefangenen.

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Ist nun das Werfen von Steinen oder das Abspielen längst verratener Arbeiterlieder das „sinnlosere Ritual" für den 1. Mai? Nach Jahrzehnten des Sozialabbaus und stetig wachsender Arbeitslosigkeit fällt der Arbeiterklasse nicht mehr viel ein, ganz im Gegensatz zu den Kapitalisten, die den Tag zu einer seltsamen Plakataktion genutzt haben. „Weniger Sozialstaat – mehr Arbeit" steht da, dazu ein trauriger Arbeitsamt-Kalender. Urheber ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Sie wird von Industrieverbänden getragen und beruft sich auf die parteiübergreifende Unterstützung wirtschaftsliberaler Politiker. Auf Mitglieder kann die INSM verzichten. Es reicht, daß jemand „über marktwirtschaftliche Reformen diskutieren" will – schon ist er ein „Unterstützer der Initiative". Jeder falsche Klick auf ihre Homepage, und der Sozialstaat wankt.

termine

> Der A-Laden in der Rathenower Str. 22, Tiergarten, zeigt am 14. Mai um 19 Uhr eine Dia-Schau. Aber nicht „Mit dem Fahrrad im Himalaya", sondern „Spaniens libertäre Kollektive 1936-38" über die kurze Geschichte der spanischen Revolution.

> Unter dem albernen Titel „Im Westen was Neues" finden am 14. und 15. Mai jeweils um 21 Uhr Podiumsgespräche zu Europa zwischen Postatlantismus und Postkommunismus statt. Mit dabei Slavoj Zizek, Eliot Weinberger und leider auch Peter Sloterdijk. Ort: Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte.

> Wer nicht 750 Euro für das neueste Kinderwagenmodell ausgeben möchte, kann sich auf dem Baby- und Kindertrödelmarkt am 10. Mai von 14 bis 17 Uhr im Saal der Reformationsgemeinde, Wiclefstr. 32, Wedding, eindecken.

> Der ADFC veranstaltet wieder eine Fahrrad-Sternfahrt am 25. Mai – als Demo, nicht aber als Sportveranstaltung. Die detaillierte Streckenführung findet sich unter www.adfc-berlin.de.

> Bis zum 5. Oktober ist in der ehemaligen Brückenmeisterei im Schöneberger Südgelände, Nähe S-Bhf. Priesterweg, die Ausstellung „Bahnbrechende Natur" zu sehen. Geöffnet von 11 bis 19 Uhr. Besonderes Hightlight: die blauflügelige Ödlandschrecke.

scheinschlag zeigt

im Rahmen der Ausstellung „12 Jahre, 24 Stunden scheinschlag" Archivfotografien und aktuelle Arbeiten seiner Fotografen. Vom 12. bis zum 18. Juni in der Galerie im Pferdestall, Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg.

scheinschlag sucht

weiterhin Leute, die über Stadtentwicklung und Stadtpolitik schreiben können und wollen: Bezirkspolitik von oben wie von unten, Stadtentwicklungstendenzen, außergewöhnliche Kulturprojekte und den gesellschaftlichen Wandel in Berlin. Bei Interesse wendet euch bitte an die Redaktion: fon 28599063, e-post info@scheinschlag.de

scheinschlag lädt ein

zum Offenen Redaktionstreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a, Mitte. Über künftige Autoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, dem 17. Mai 2003, um 14 Uhr statt.

 
 
 
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