Ausgabe 03 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

musik für die massen

Mutig in Berlin

Wenn so ein Projekt funktioniert, herrscht andächtiges Schweigen und stille Begeisterung. Doch wehe, wenn die Mischung nicht stimmt, die Texte einen Hauch zu sehnsüchtig sind, die Streicher etwas zu sphärisch und die Stimme am Ende als zu schmachtend wahrgenommen wird: Die Grenze zu Kitsch und Schmalz ist schnell überschritten. Wenn sich jemand mit seiner Musik auf eine solche Gratwanderung einläßt, gehört schon eine gewisse Portion Mut dazu. Wenn dann aber alles so zusammenpaßt wie auf Rose (Kitty-Yo), dem zweiten Album von Maximilian Hecker, dann fliegen ihm die Herzen verdientermaßen zu. Und natürlich darf dann ein Stück mit Schrammelelektronik und Drum´n´Bass nicht fehlen.

Bereits mit ihrer ersten Veröffentlichung Vermona ließ sich Barbara Morgenstern auf ein gleichfalls gewagtes Unternehmen ein. Auf der einen Seite elektronische Musik im Wohnzimmer-Ambiente und dazu meist ­ deutsche ­ Texte. Eine Verbindung, die bis dahin nicht wirklich kompatibel schien. Inzwischen hat sich das von Morgenstern mitgegründete Label Monika für diese und andere Arten der Lounge-Musik etabliert. Folgerichtig also, mit ihrer dritten Veröffentlichung Nichts Muß eine größere Zuhörerschaft anzusteuern und einen Kooperationspartner zu suchen; und obwohl Labels als Ableger von EMI/Virgin zu einem Major gehört, darf hier noch ausprobiert werden: Nichts Muß ist unter diesem Aspekt ein passender Titel. Denn trotz ausgedehnter Konzerttour muß sich am musikalischen Konzept nichts ändern: Texte, die sich zwischen Reflexion und Somnambulen-Surrealismus bewegen, verpackt in hypnotisch-feingliedrige Rhythmusstrukturen, die tanzflächentauglich zum Schwingen kommen.

Mutig ist auch das, was die vermeintlichen Brüder Hardman abliefern: Eine Mischung aus White-Trash-Gitarren und Pling-Plong-Elektronik, so beiläufig hingeworfen, daß man sich beinahe verarscht fühlen könnte. Aber für eine reine Gimmick-Veranstaltung gibt es einfach zu viele perfekte Momente. Eine Erklärung für diese Mischung ergibt sich aus der Zusammensetzung des Duos: während der eine ­ Jeff ­ als Musiker mit unterschiedlichen Bands in New Mexico spielt und für die akustischen Elemente zuständig ist, kümmert sich der andere ­ Jay ­ in Berlin um den elektronischen Kram. Herausgekommen ist etwas hörenswert Sperriges und dann wieder so einschmeichelnd Elektro-Folk-Mäßiges, daß man nur sagen kann: Musik geht klar, und einen besseren Titel als Shirts & Pistols (Pop Up) hätten sie ohnehin nicht finden können.

Marcus Peter

   

 
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