Ausgabe 03 - 2003

berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Gebet vor dem Herd

Hausfrau in den Sophiensälen

Die freie Theatergruppe Schöpfwerk bringt unter der Regie des Holländers Rogier Hardemann ihre dritte Produktion auf eine Berliner Bühne. Das Ein-Personen-Stück Hausfrau ist im Foyer des Theaters in den Sophiensälen zu sehen. Das Stück der niederländischen Autorin Esther Gerritsen, die derzeit als erfolgreichste Dramatikerin in ihrer Heimat gilt, enthält auf den ersten Blick die Lebensbeichte einer Frau, die sich trotz Kinderlosigkeit vollständig für Haushalt und Ehe aufopfert. Sie erzählt uns von ihren Nöten, weder zu früh noch zu spät das Abendessen für den heimkommenden Gatten zu bereiten, ihrer beginnenden Freundschaft mit einer Kosmetikvertreterin und auch von ihrem Leben vor der Ehe.

Bei genauerem Hinsehen jedoch wird deutlich, daß es sich weniger um einen Monolog handelt, vorgebracht von einer Schauspielerin, die sich in den Charakter einfühlt, sondern um den Versuch, sich mithilfe eines ständigen Perspektivenwechsels der Figur zu nähern, konsequenterweise zumeist in der dritten Person. Die hervorragend agierende Frederike Haas schlüpft dabei abwechselnd in die Rollen einer ironischen Erzählerin, einer Art Homeshopping-Assistentin, einer distanzierten Berichterstatterin und ­ im Laufe des Stücks in zunehmendem Maße ­ in die der selbstentfremdeten Gattin. Durch diese zögerliche Annäherung, zeitweise durchbrochen durch ein Heraustreten aus der Bühnensituation, entgeht die Inszenierung einer folgenlosen Katharsis des Zuschauers.

Doch leider bleibt die Figur in ihrer Beschränktheit auf die Anforderungen einer Hausfrau ein Klischee. Das Neue-Mitte-Kostüm der Schauspielerin verdeutlicht von Anfang an die Diskrepanz zwischen dieser längst überholten Frauenrolle und der heutigen Lebenswirklichkeit. Zwar mag das fast rezitative Aufzählen abstruser Namen überflüssiger Küchengeräte oder die Verwandlung des Herdes in einen Altar für kurzweilige Komik sorgen, doch erinnern diese Momente eher an schlechtes Kabarett.

Die intensive Kommunikation Frederike Haas' mit dem Publikum führt dabei gerade nicht dazu, daß die Dargestellte in ihrer Tragik ernstgenommen wird, sondern im Gegenteil zu einem Schulterschluß der Schauspielerin mit den Zuschauern ­ auf Kosten der derartig der Lächerlichkeit preisgegebenen Hausfrau. Vielleicht hätte doch eine ins Provokant-Obszöne gleitende Spielweise, wie sie an postmodernen Bühnen mittlerweile üblich ist, vor einer solchen gefahrlosen Verbrüderung bewahren können. Wenn gegen Ende des Stückes die Erzählerrolle und die der Protagonistin immer ununterscheidbarer werden, ist es für eine angemessene Auseinandersetzung längst zu spät.

Die Wahl eines Klischees erscheint noch aus einem anderen Grund problematisch. Offenbar thematisiert Gerritsen nicht nur das Schicksal einer spezifischen Frauenrolle, sondern ruft die soziale Situation der Frauen im allgemeinen auf. Ausgehend vom bürgerlichen Ideal der Vorgängergeneration folgt eine feministische Auseinandersetzung mit der angeblich männlichen Vernunft, der männlich besetzten Aggressivität und der nur Männern vorbehaltenen öffentlichen Sphäre. Die Vorstellung einer unveränderlichen weiblichen Wesensart aber, die im Gegenzug suggeriert wird, mutet in Zeiten dekonstruktivistischer Gender-Theorien doch eher verstaubt an. Zwischen mir und meiner Großmutter liegen schließlich mehr Verschiebungen als nur technischer Fortschritt im Haushalt. Da hilft auch der am Ende dargestellte Ausbruchsversuch wenig, ist er doch nur die Nacheiferung der zuvor als männlich definierten Verhaltensmuster und bleibt ins Reich der Phantasie verbannt.

Zumindest werden mystische Kategorien wie Selbstverwirklichung und Eigentlichkeit ebenfalls in Komik überführt; denn in einen Zustand, in dem ein Mixer noch für etwas anderes stand als einen Mixer, muß man sich nun wirklich nicht zurücksehnen.

Katrin Scharnweber

> „Hausfrau" am 15. und 16. April um 20 Uhr in den Sophiensälen, Sophienstraße 18, Mitte. Karten für 13 Euro, ermäßigt 8 Euro.

 
 
 
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