Chronologie der Suizidversuche und Selbstverletzungen von inhaftierten Flüchtlingen und MigrantInnen im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick seit Januar 2003 
								22.Januar: 43jähriger Russe aus Tschetschenien  Schnittverletzung im Bauch, zwölftägiger Krankenhausaufenthalt 
								23./24.Januar: 16jähriger Jugendlicher aus Weißrußland  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								27.Januar: 28jähriger Kaukasier  Schnittverletzung mit Dosenblech im linken Arm 
								29.Januar: Selbstmordversuch durch Erhängen 
								31.Januar: 17jähriger Palästinenser  Schnittverletzung 
								1.Februar: 27jähriger Georgier  drei Schnitte in den linken Arm und ein Schnitt ins Gesicht 
								1./2.Februar: 23jähriger Litauer  Selbstmordversuch durch Erhängen, nach Rückkehr aus dem Krankenhaus in das Gefängnis Selbstverletzung durch Schnitte in Pulsadern 
								3.Februar: 29jähriger Russe  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								4.Februar: 28jähriger Mann aus dem Kaukasus  Schnittverletzungen an beiden Armen 
								10.Februar: 29jähriger Russe  Selbstmordversuch durch Erhängen, viertägige künstliche Beatmung auf der Intensivstation, Lungenentzündung 
								11.Februar: 43jähriger Russe aus Tschetschenien  Kopf aufgeschlagen 
								11.Februar: 48jähriger Weißrusse  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								11.Februar: Kurdischer Gefangener aus der Türkei  Selbstverletzung 
								12.Februar: Pole  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								15.Februar: 32jähriger Russe  Selbstmordversuch durch Erhängen, nach Rückkehr aus dem Krankenhaus in das Gefängnis Schnittverletzung am linken Unterarm; danach Versuch, sich zu erdrosseln 
								16.Februar: 33jähriger Russe aus Tschetschenien  Schnittverletzung am linken Unterarm, danach Selbstmordversuch durch Erhängen 
								20.Februar: 19jähriger Ukrainer  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								21.Februar: 26jähriger Moldawier  Schnittverletzung und Versuch, sich zu erhängen 
								22.Februar: 25jähriger Mongole  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								22.Februar: 28jähriger Ukrainer  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								22.Februar: 36jähriger Inder  Schnittverletzung und Selbstmordversuch durch Erhängen 
								22.Februar: 28jähriger Georgier  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								23.Februar: 20jähriger Türke  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								23.Februar: Algerier  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								23.Februar: 23jähriger Moldawier  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								24.Februar: 26jähriger Russe  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								26.Februar: 36jähriger Inder  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								5.März: 36jähriger Algerier  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								9.März: 26jähriger Jugoslawe  Selbstmordversuch durch Erhängen 
								18.März: 24jähriger Inder  Schnittverletzungen und Selbstmordversuch durch Erhängen 
								18.März: 23jähriger Litauer  Schnittverletzungen am Hals und zehnfach an den Armen 
								18.März: 19jähriger Inder  fünf Schnittverletzungen und Selbstmordversuch durch Erhängen 
								19.März: 24jähriger Inder  Schnittverletzungen und Selbstmordversuch durch Erhängen 
								Stand: 20. März 
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								Fluchtgefahr bei Flüchtlingen?
								Gespräch mit Viktoria Schultz von der Initiative gegen Abschiebehaft
								Mehrere Organisationen und Einzelpersonen haben sich Anfang Februar in einem offenen Brief an Berlins Innensenator Körting gewandt. Wir sprachen mit Viktoria Schultz von der Initiative gegen Abschiebehaft, die den offenen Brief initiierte. 
								Ihr habt Euch in einem offenen Brief an Berlins Innensenator Körting gegen die Zustände im Abschiebegefängnis gewandt. Was ist der konkrete Anlaß? 
								Am Montag, dem 20. Januar 2003, begaben sich mehr als 70 Menschen, die in Berlin-Köpenick in Abschiebgewahrsam sitzen, in einen Hungerstreik. Ziel des Hungerstreiks war es, auf die menschenverachtenden Zustände hinzuweisen. Ihre Hauptforderung war die sofortige Freilassung aller derjenigen, die weit über sechs Monate in Abschiebehaft sitzen und deren Abschiebung rechtlich nicht möglich ist. Die Berliner Richter legitimieren eine solche Inhaftierung immer wieder mit fadenscheinigen Begründungen wie einer angeblichen Fluchtgefahr. Das ist eine eindeutige Rechtsbeugung, und der Abschiebegewahrsam ist somit ein reines Repressionsinstrument. Körting wollte über diesen Punkt nicht reden, doch versprach er, die bereits lange von der rot-roten Regierung geplanten Hafterleichterungen durchzusetzen  wie das Entfernen der Innengitter in der Etage der Langzeitinhaftierten, einen verlängerten Hofgang und das Aufstellen einer Tischtennisplatte. Obwohl dies sogar in den Koalitionsvereinbarungen steht, ist es noch nicht einmal in Angriff genommen worden. Die SPD hat sich zwar noch nie als antirassistische Partei hervorgetan, doch von seiten der PDS vermissen wir den nötigen Nachdruck bei der Umsetzung. Aufgrund dieser Zusagen wurde der Hungerstreik bis zum 10. Februar von den meisten ausgesetzt, aber von sechs Menschen weitergeführt. 
								Warum wurde er später fortgesetzt? 
								Da sich die Zusagen als leere Worthülsen erwiesen, nahmen vor drei Tagen mehr als 60 Menschen den Hungerstreik wieder auf. Ihre Forderungen sind die Verkürzung der Haftdauer, eine ordentliche medizinische Versorgung und eine Sanktionierung der Belästigungen und Mißhandlungen von seiten der Angestellten. Wir unterstützen diese an der Realität der Inhaftierung angelehnten Forderungen, gehen politisch aber weiter und setzen uns für die Schließung aller Abschiebeknäste ein. 
								Innensenator Körting verweist auf die Zuständigkeit der anderen Bundesländer und beteuert, daß Berlin nicht alleine handeln könne. Ist er der falsche Ansprechpartner für den Brief? 
								Das ist mal wieder ein politisches Hinundherschieben der Verantwortung, denn Körting ist der politisch Verantwortliche für die Zustände in dem Berliner Abschiebeknast, und er könnte wenigstens die geplanten Hafterleichterungen durchsetzen. Die ihm direkt unterstellte Ausländerbehörde und Polizei nimmt bei der Anweisung und Durchsetzung der Abschiebehaft eine zentrale Stellung ein. Diese Behörden sind an seine Weisungen gebunden und setzen seine Richtlinien um. Wer, wenn nicht er, ist dafür verantwortlich? Darüberhinaus könnte die Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebeknäste starten. 
								Selbstmordversuche von Abschiebehäftlingen sind ja anscheinend keine Einzelfälle. 
								Die Angst vor Abschiebung und Folter in den Herkunftsländern und die Erkenntnis, daß alle Bemühungen umsonst waren, treiben viele in die Verzweiflung. So bleibt der Selbstmord oft der scheinbar einzige Ausweg. 
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