Ausgabe 11 - 2002 berliner stadtzeitung
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Trockenschwimmen im SEZ

Von der Notwendigkeit einer Betriebsbesetzung

Foto: Jenny Wolf

Mit dem Mord an Treuhandchef Rohwedder im April 1991, der einem „RAF-Phantom" zugerechnet wird, war es vorbei mit den Betriebsbesetzungen in der ehemaligen DDR. Die Kalikumpel kamen unter Terrorismusverdacht, und mit der Pleiteexpertin Birgit Breuel ging die Abwicklung erst richtig los.

Heute könnte man wirklich lustig neu anfangen. Für ein totgeglaubtes Spaßbad, das so oft für geschlossen erklärt wurde, daß kaum noch jemand an seinen Betrieb glaubte, könnte eine ordentliche Betriebsbesetzung die richtige Publicity sein. 80 der 125 Mitarbeiter, die überwiegend seit Eröffnung des Bades dort arbeiten, werden bei vollem Gehalt nach Hause geschickt. Die übrigen verteilen sich auf den Wach- und Schließbereich der Bäderbetriebe.

Wenn im Frühjahr die Spaten geschwungen werden, um auf der Rückseite des SEZ ein Außenbecken als Freibaderweiterung zu graben, dann gäbe es in der Gegend endlich mal ein Freibad, und ein erheblicher Mangel wäre behoben. Wahrscheinlich würden die Badenden von Froschmännern der Polizei aus dem Wasser geholt und dieses dann eiligst abgelassen, womit wir wieder bei der Realität wären: Das SEZ ist dicht und sieht vielleicht eines Tages so aus wie das angrenzende Karl-Friedrich-Friesen-Schwimmstadion, von dem nur ein gewaltiges Loch in der Wiese des neuen Parks übrig geblieben ist.

Weil der Senat seit Jahren nur halbierte Zuschüsse für den Betrieb des SEZ zahlte, konnten Instandsetzungen nicht mehr durchgeführt werden. Nun klappert so manches in den Umkleidebereichen, was von den Abwicklern und der Presse zur Verwahrlosung hochstilisiert wurde. Immer wieder wurde das SEZ als Sicherheitsrisiko dargestellt: Mal sollten sich in den Duschköpfen gefährliche Krankheitserreger beÞnden, mal wurde der Austritt einer giftigen Ammoniakwolke aus dem Kühlsystem der Eisbahn befürchtet. Oft verkündete man das Ende des SEZ, was dann zu einem Rückgang der Besucherzahlen führte.

Dabei sind viele Mitarbeiter davon überzeugt, daß der technische Zustand des Hauses keineswegs so schlecht ist, wie stets behauptet. Er ist der normale Zustand eines solide gebauten, 21jährigen Bades mit schwedischer Technik zur Wasseraufarbeitung. Hier gibt es alles, was Liebhaber von Chlorwasser sich wünschen: ein Wellenbad, terrassierte Wasserkaskaden, Schwimm-, Sprudel- und Sprungbecken sowie ein Außenbecken mit Wasserrutsche für Kinder. Das SEZ ist darüber hinaus eine interessante Kombination von sportlichen und gastronomischen Nutzungen. Ästhetisch entspricht die schwedische Koproduktion ganz den westlichen Vorbildern seiner Zeit. Und hat man diese Gestaltungsabsicht erst einmal akzeptiert, kann das Gebäude durchaus als gelungen durchgehen.

Ein Architekturwettbewerb ergab ein aufwendig gestaltetes neues Erscheinungsbild des Multifunktionskomplexes, dem einst sogar ein Freizeitpark angehörte. Von einem neuen Betreiber wird ein zuschußfreier Betrieb und 25 Millionen Euro erwartet, cash auf den Tisch. Viel Geld angesichts der Tatsache, daß sich Saunaclubpreise in dieser Gegend nicht lohnen. Dennoch gab es einige Interessentengruppen, die aber sämtlich mit den horrenden Forderungen abgewehrt wurden. Mit über 60 Investoren wurde bislang ergebnislos verhandelt.

Eine behutsame und sparsame Instandsetzung der Technik und Einbauten scheint politisch nicht gewollt. Der Niedergang des SEZ hatte System. In der Berliner SPD bekennt man sich offen dazu, daß es für die Partei „politisch nicht bedeutsam sei". Man hatte versprochene Zuschüsse versickern lassen und sich vehement gegen eine Privatisierung gestellt. Innerhalb der CDU wundert man sich, wie ihr Herzenswunsch nun so reibungslos über die Bühne gehen kann – die PDS hatte der gänzlichen Streichung der Senatszuschüsse für das SEZ zugestimmt.

Kleiner Lichtblick: Die PDS hat anklingen lassen, daß sie das Bad nicht verloren gibt und über Teilnutzungen einen Neuanfang für möglich hält. Es wäre auch zu peinlich, wenn in ein paar Jahren auch vom SEZ nur eine Grube übrig bliebe.

Carsten Joost

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