Ausgabe 09 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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musik für die massen

Überblick

Es gibt sie noch, die wunderbar zusammengestellten CDs, die im Dschungel der Neuerscheinungen einen Überblick über aktuelles oder auch vergangenes Musikgeschehen liefern. Jeweils zwei aus unterschiedlichen Zeitfenstern sollen hier Beachtung finden.

Ganz vorn und ganz groß: Black & Proud aus dem Hause Trikont. Black & Proud spiegelt den politischen Aufbruch der Black Panther-Bewegung in den USA zwischen 1967 und den frühen Siebzigern wider. Bis dahin fanden Afro-Amerikaner bestenfalls als problembeladene Randgruppe der Ghettos Erwähnung. Dieses Nichtvorhandensein mit Präsenz zu füllen und eine positive schwarze Perspektive und Selbstwahrnehmung zu entwickeln, war eines der Hauptziele der Black Panther. Maßgeblich beteiligt an der neuen (Selbst) Wahrnehmung, war energiegeladene Musik mit radikalpolitischen Texten: Egal ob Funk, Soul oder Rap, die visionäre Aufbruchsstimmung läßt sich auf Black & Proud eindrucksvoll nachhören und es verwundert nicht, daß das Establishment in Panik geriet.

Während die Black Panther dank der COINTELPRO-Kampagne der CIA Anfang der siebziger Jahre mit Mitteln des Staatsterrorismus zerrieben wurden, erlebte „ihre" Kultur ironischerweise neue Höhepunkte: Blaxploitation-Filme und Musik wurden stilprägend für Coolness und Avantgarde auch in Europa. Ambros Seelos nahm wie kein zweiter deutscher Band-Musiker diese Elemente auf: Götz Alsmann berichtet in den Linernotes zur CD Funky Songs For Private Eyes (9pm Records), wie Seelos im ZDF im Vorabendprogramm souverän sein Easy-Listening-Programm runterspielte, um dann am Abend mit seiner aus allen Ländern zusammengewürfelten Band zu härtestem Afrofunk überzuwechseln. „Ein Bandleader, der immer an der Spitze der musikalischen Entwicklung stand und steht", lautet Alsmanns Urteil ­ dem ist nichts hinzuzufügen.

Gleichermaßen einen beeindrukkenden Spagat zwischen den Stilen legt das Label Staubgold mit seiner aktuellen Label-Leistungsschau hin. Eigentlich eher bekannt für raffinierte und minimale elektronische Verdrehungen, überrascht Music Out Of Place mit mehreren Akustik-Stücken, die sich zwischen Lärmattacke und feinsinnigem Songwritertum bewegen. Fast scheint es, als wollte Staubgold traditionelle Grenzen zwischen den Genres einreißen und verkünden: Alles geht, nur Langeweile nicht.

Zum Schluß noch ein Schmankerl aus Berlin: Pop You 2 heißt eine Zusammenstellung, die eigentlich nur eine Frage offenläßt: Wieso hat man von den ganzen tollen Bands nie zuvor etwas gehört? Genau das fragten sich die Macher des Fanzines pitti platsch 3000 auch. Um das Malheur von sensationell gutem Untergrundpop, den viel zu wenige zu hören bekommen, zu lösen, wurde flugs ein Label gegründet: Hobby Deluxe – und auf diesem werden dann feine Compilations mit den kleinen Pop-Perlen veröffentlicht. Pop You 2 ist die zweite Zusammenstellung auf Hobby Deluxe. Und es verwundert schon, wieviel Tolles und Herzerwärmendes aus den unbekannten Tiefen der Probekeller unser Ohr erreicht.

Marcus Peter

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  Ausgabe 09 - 2002