Ausgabe 09 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis

Impressum


Zur Homepage

Kurzkultur

bäuche streicheln

Als das Maria am Ostbahnhof sein Domizil verlor, war ein Ort für erlesene Konzerte und Clubabende weg. Nun ist das Maria-Team in die Hallen des ehemaligen Deli gewechselt ­ eine freundliche Übernahme, weil das Deli als illegaler Club arg in Bedrängnis geraten war. Und gleich sind sie wieder da, die tollen Konzerte. Zum Beispiel der Label-Abend von Morr Music. Morr Music ist ein Berliner Label mit feiner Nase für elektronische Raffinesse. Begleitend zur gerade erschienenen Label-Compilation geben sich stellvertretend für all die anderen Künstler MS John Soda, Static und ein Überraschungsgast an diesem Abend die Ehre. Ein entspannter Abend mit Elektronik, Gesang und Musik zum Bauchstreicheln.

> Morr-Label-Abend, am 22. November um 21 Uhr im neuen Maria am Ostbahnhof, Stralauer Platz 34/35, Friedrichshain

dazwischen reden

Daß die Mysterien sich am Bahnhof abspielen, meinte einst Joseph Beuys. Einen magischen Bahnhof verspricht jetzt die Theatergruppe Molino, eine Laientruppe mit Akteuren verschiedenster Nationalitäten. Ihr Bahnhofsgeflüster geht auf ein klassisches japanisches Stück zurück, das der berüchtigte Mishima bearbeitet hat: die Geschichte einer Geisha, die über dem Warten auf ihren Geliebten den Verstand verliert. Dazwischen reden westliche Stimmen aus Stücken von Tschechow, Oscar Wilde und leider auch Botho Strauß.

> „Bahnhofsgeflüster. Ein magischer Bahnhof als Übergang für Gegensätze", Gastspiel der Theatergruppe Molino, Regie: Jaime Micán, von 1. bis 3. und 7. bis 9. November um 20 Uhr auf der Hauptbühne des Theaters „Fürst Oblomov", Zinnowitzer Str. 3-7, Mitte

brücken bauen

Nun muß halt zusammenwachsen, was eigentlich nicht zusammengehört. So will es die von oben verordnete Fusion der Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg, die ja mit Ausnahme der Oberbaumbrücke nichts verbindet. Dem soll jetzt abgeholfen werden. „Brücken bauen" ist das Motto einer sogenannten Kulturkonferenz, die das Bezirksamt von Groß-Friedrichshain-Kreuzberg zusammen mit dem Kulturring an Allerseelen ausrichtet. Vernetzung heißt das Zauberwort, und der soll in verschiedenen Arbeitsgruppen nachgeholfen werden.

> „Brücken bauen" – Kulturkonferenz Friedrichshain-Kreuzberg, am 2. November ab 9 Uhr im Rathaus Kreuzberg, Yorckstr. 4-11, Anmeldung beim Kulturring in Berlin e.V., Friedrichstr. 120, 10117 Berlin, fon 2836343 oder 2961684

schreiben lernen

Schriftstellern kann ein lukrativer Job sein – so man noch nicht zu alt ist, um im Literaturbetrieb als jung zu gelten und auch noch ein bißchen Ost-Biographie vorzuweisen hat. Sowas wird nämlich derzeit nachgefragt. Wer seine Schreibkarriere etwas professioneller angehen will als unsere Freunde von den Lesebühnen, dem bietet die Neue Gesellschaft für Literatur jetzt wieder eine „Werkstatt für junge Autoren" an. Bewerben können sich Autorinnen und Autoren unter 35 mit einem 25-50seitigen Prosa-Manuskript. Den 15 Auserwählten werden Textarbeit mit „erfahrenen Mentoren" und Informationen aus dem Literaturbetrieb versprochen.

> Einsendungen in dreifacher Ausfertigung bis zum 30. November an die Neue Gesellschaft für Literatur, Rosenthaler Str. 6, 10119 Berlin

denkmal errichten

Zu viele Köche verderben meist den Brei. Diesmal sollte man allerdings Nachsicht üben, haben 26 Berliner Komponisten doch zusammen ein „Klangdenkmal für die Opfer des Holocaust" erstellt ­ ein Stück für Streichquartett nach einem Thema von Coco Schumann, dem Berliner Jazz-Musiker und Holocaust-Überlebenden. Die Uraufführung durch das United Strings Quartett findet zum Jahrestag der Pogromnacht von 1938 statt.

> „Klangdenkmal für die Opfer des Holocaust", am 8. November um 19 Uhr im Ribbeck-Haus der Berliner Stadtbibliothek, Breite Str. 36, Mitte

gitter verarbeiten

„Das Gitter und ich" ­ der Untertitel des Kunstprojekts läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, ist es doch hinter den Gittern der Untersuchungshaftanstalt Moabit entstanden. Die Skulpturen, die teils aus Gefängnisgittern gefertigt worden sind, haben den Gefangenen zwar auch nicht die Freiheit gebracht ­ werden aber schon eine sinnvolle beschäftigungstherapeutische Maßnahme gewesen sein.

> „Auf"Zeichnungen hinter verschlossenen Türen, noch bis zum 17. November in der Galerie Nord, Turmstr. 75, Tiergarten, Di, Mi, Fr und So von 12 bis 17 Uhr, Do von 12 bis 18 Uhr

männer fotografieren

Schwule organisieren sich wie alle anderen Deutschen gern: im Fetischverein für Gummiliebhaber oder im Club der schwulen Eisenbahnfetischisten. Wenn wundert es da, daß es auch einen schwulen Foto-Club e.V. gibt ­ die homosexuellen Lichtbildner nennen sich unter Aufbietung merkwürdigster Binnengroßschreibung MannSbilder. Ob die auch andere Motive als nackte Männer kennen, kann man in der Friedrichshainer Fotogalerie herausfinden.

> „Spiegelungen" – eine Ausstellung des schwulen Foto-Clubs MannSbilder, bis zum 8. November in der Fotogalerie am Helsingforser Platz, Helsingforser Platz 1, Friedrichshain, Di bis Sa von 13 bis 18 Uhr, Do von 10 bis 18 Uhr

kinder hüten

Eine Frau hat eines Tages keine Lust mehr, Mutter und bürgerliche Ehefrau zu sein, und geht. Verständlich. In dem neuen Dogma-Film KIRA aber gilt dieses Verhalten als Psychose, und wir dürfen 90 Minuten lang um die aus der Psychiatrie Heimgekehrte bangen: Wird sie ihre Kinder gewissenhaft beaufsichtigen können? Wird sie das Geschäftsessen erfolgreich meistern? Am Ende erleben wir sogar ein Happy end: Wer seinen Aufgaben als Ehefrau einigermaßen nachkommt, darf sogar ein bißchen verrückt sein.

> „KIRA" von Ole Christian Madsen kommt am 24. Oktober in die Kinos

bilder besprechen

Der Titel einer Ausstellung, die in der Kunststiftung Poll angekündigt wird, alarmiert die Kulturredaktion des scheinschlag, der Fotos ja einen großen Stellenwert einräumt: „Gefährdung der Fotografie?" Worin diese Gefährdung bestehen mag ­ in den neuen Medien, der Digitalfotografie? Klären läßt sich das vielleicht in den „Gesprächen zur Fotografie", die zur Ausstellung stattfinden, in der Arbeiten u.a. von Göran Gnaudschun, André Kirchner, Gabriele Mucchi und Ulrich Wüst gezeigt werden.

> „Verlust der Realität, Gefährdung der Fotografie?", von 5. November bis 14. Dezember in der Kunststiftung Poll, Gipsstr. 3, Mitte. Die Gespräche zur Fotografie finden von 3. bis 7. Dezember jeweils um 19 Uhr in der Ausstellung statt

© scheinschlag 2002
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 09 - 2002