Ausgabe 09 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis

Impressum


Zur Homepage

Man ist so abhängig

Ein Gespräch über die Hürden der Einbürgerung mit Alphonse M. aus der DR Kongo, vormals Zaire

Alphonse, seit wann bist du in Deutschland und warum?

Ich bin seit zehn Jahren hier. Ich bin aus politischen Gründen aus meinem Heimatland geflohen und habe in Deutschland Asyl beantragt. Es gab ziemliche Probleme, weil das damalige Zaire als demokratisches Land galt. Das ist kaum zu verstehen, da ich nur unter Lebensgefahr hätte zurückkehren können.

Wie bist du hier klargekommen?

Solange ich in Deutschland bin, habe ich versucht, mich zu integrieren und schnell angefangen, Deutsch zu lernen. Dafür habe ich auch Sprachkurse an der Uni besucht. Dort habe ich auch meine Liebe gefunden. Wir haben geheiratet, ich konnte bleiben und weiter zur Uni gehen. Mein Managementstudium wurde hier nämlich nicht anerkannt. Mit dem Bleiberecht habe ich dann weiter studiert, danach eine Weiterbildung gemacht und arbeite nun in einer großen internationalen Firma im IT-Bereich.

Da klingt so, als wolltest du für immer in Deutschland bleiben?

Ja, ich habe schließlich Familie hier, meine Frau und auch ein Kind. Natürlich möchte ich hierbleiben. Das hängt auch von anderen Faktoren ab. Wenn ich mir die politische Lage in meiner Heimat ansehe, möchte ich das meiner Familie nicht zumuten. Es gibt dort keinerlei politische Stabilität und keine Perspektiven. Und hier werden Fachleute gesucht. Da ist es doch verständlich, daß man bleiben will.

Da liegt es nahe, auch die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Zuerst war ich nicht so scharf darauf. Ich hatte eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und dachte, daß ich immer mal wieder in meine Heimat fliegen könnte, wenn die Lage dort stabiler sein würde. Vielleicht könnte ich dann für die neue Regierung arbeiten. Aber nach wie vor ist die politische und wirtschaftliche Lage im Kongo sehr unsicher. Außerdem spielt sich mein Leben hier ab. Ich habe viele Freunde hier. Eigentlich denke ich kaum noch daran, zurückzugehen.

Deshalb habe ich vor mittlerweile vier Jahren den Antrag auf Einbürgerung gestellt. Damit werden viele alltägliche Dinge einfacher. Noch brauche ich beispielsweise für jede Auslandsreise ein Visum, selbst nach Polen, teilweise sogar eine Einladung. Ich kann nur mit riesigem Aufwand mit meiner Familie in den Urlaub fahren. Dafür braucht man Zeit, die man nicht hat, wenn man arbeitet.

Wie geht denn eine Einbürgerung vonstatten, und warum zieht sich das solange hin?

So genau weiß ich das nicht. Ich will auch nicht behaupten, daß das Schikane ist. Es ist aber sehr nervig. Man muß eine Menge Papierkram erledigen. Manchmal versteht man auch gar nicht, was die von einem wollen. Erstmal ging es um vollständige Unterlagen. Das sind so Sachen wie der Paß, die Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitsbescheinigung usw. Die habe ich hingebracht und seitdem bekam ich öfter mal einen Brief, der mich aufforderte, noch andere Bescheinigungen über irgendetwas zu schicken und noch eine und noch eine. Nachdem das erledigt war, bekam ich nach vielleicht einem halben Jahr wieder einen Brief, in dem noch mehr Unterlagen gefordert wurden. Wieder warten, wieder Briefe. Jedesmal denkt man, daß nun alles in Ordnung ist und der Antrag bearbeitet wird.

Irgendwann wollte ich Bescheid wissen und habe in der Behörde angerufen. Da sagte man mir, daß es ihnen leid täte, daß sie sich schon längst hätten melden wollen usw., und dann wollten sie wieder eine Einkommensbescheingung. Also das Ganze noch einmal. Und natürlich muß man die Papiere persönlich vorbeibringen.

Obwohl man mir sofortige Bearbeitung versprochen hatte, folgte wieder ein halbes Jahr Pause. Also bin ich wieder dort hingegangen, war genervt und habe wieder vergebens auf ein Schreiben gewartet. Ich hatte ziemlich die Nase voll und wollte schon aufgeben. Aber wozu hatte ich das Ganze dann gemacht? Die letzte Auskunft habe ich vor drei Monaten bekommen. Mir wurde gesagt, daß mein Dossier komplett ist und daß nur noch die Antwort vom Senat fehlt.

Da könnte man fast Methode dahinter vermuten ...

Ich will niemandem etwas unterstellen, aber ich denke, jemand, der in dieser Stelle arbeitet, ist kompetent und weiß, was er tut. Das heißt, daß die Leute dort im voraus wissen, was sie von einem brauchen, und das hätten sie mir auch gleich sagen können. Sie hätten mir eine gewisse Zeit zum Besorgen aller Papiere geben können. Die wären dann gleich komplett gewesen. Aber so das Verfahren hinauszuzögern, das verstehe ich nicht. Ich bin niemand, der immer gleich Böses von den Leuten denkt, und versuche, die Menschen zu verstehen. Aber ich meine, die werden für ihre Arbeit bezahlt und dafür, daß sie gleich wissen, was gebraucht wird.

Kennst du ähnliche Fälle?

Ja, sicher. Aber keine Geschichte ist mit der anderen zu vergleichen. Manche haben keinen normalen Beruf und auch Probleme mit der Sprache. Außerdem hängt die Bearbeitungszeit vom Bezirk und von deinem Sachbearbeiter im Rathaus ab. Manche sind fleißiger. Das weiß ich von Bekannten, wo die Einbürgerung viel schneller ging. Man ist so abhängig von denen, das demotiviert. Da kann man schon die Lust auf diese Staatsbürgerschaft verlieren.

Interview: Ingrid Beerbaum

© scheinschlag 2002
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 09 - 2002