Ausgabe 09 - 2002 berliner stadtzeitung
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Stadtschloß: Bundestagsbeschluß ungültig?

Die Mitglieder des Bundestags haben über den Neubau des Stadtschlosses auf Grundlage falscher Berechnungen abgestimmt: Nach Erkenntnissen der „Arbeitsgruppe Schloßplatz" stehen nicht die von den „Experten" der Schloßplatzkommission versprochenen 100000 Quadratmeter zur Verfügung, sondern nur 60000. Ein „handwerklicher Fehler", so Arbeitsgruppenleiter Julian Nida-Rümelin (SPD). Ein simpler Betrug, könnte man angesichts der 40prozentigen Fehlerquote sagen. Unter anderem wurde ein Zwischengeschoß mitgezählt, das für kaiserliche Bedienstete angelegt war und in dem man gerade mal so stehen konnte.

Das bedeutet das Aus für die angepriesene Dreifaltigkeit des „Humboldt-Forums", bestehend aus den Sammlungen des Preußischen Kulturbesitzes, der ebenfalls preußischen Wissenschaftssammlung der HU und der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB). Letztere ist nun aus dem Nutzungskonzept ausgeschieden ­ als einziger Bereich, der einen echten Alltagswert für die Berliner Bevölkerung dargestellt hätte, was im Bundestag viele Skeptiker für das Schloß erwärmen konnte.

Auch das empfohlene Finanzierungskonzept weist nach dem Rauswurf der ZLB eine neue Lücke auf. Das Gebäude und das Grundstück der Amerika-Gedenk-Bibiliothek, in dem sich ein Teil des Bestandes bisher befindet, bringen keinen Verkaufserlös ein; außerdem wird die angekündigte Sanierung fällig.

Nähme sich der Bundestag wirklich ernst, müßte er nach Abschluß der Prüfung der Kommissionsempfehlung die Nutzungsperspektive für den Schloßplatz erneut zur Abstimmung bringen. Immerhin hatte man sich im Juli einer Empfehlung angeschlossen, die sich nun immer mehr als Mogelpackung herausstellt. Vielleicht fällt nachdenklichen Parlamentariern dann auch ein, woher sie die „staatlich garantierten Dividenden" für private Schloßbau-Anleger kennen, die durch „Ausfallbürgschaften in den Haushaltsgesetzen" abgesichert werden sollen – etwa von der Berliner Bankgesellschaft? Das Schloß wird hoffentlich zum Skandal, bevor es gebaut wird, und nicht erst, wenn es zu spät ist.

cj

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  Ausgabe 09 - 2002