Ausgabe 05 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Renate leiht uns ihre Reize

Eine Expedition in die Berliner Comicbibliothek

Ein buntes Schild weist den Weg zu den lustigen Heftchen. Man überquert den ehemaligen Schulhof, durchschreitet das Eingangsportal, und wird sogleich von fröhlichen Kinderbildern empfangen. Oben im ersten Stock, neben "Malen & Trommeln für Kinder", findet sich die Renate-Comicbibliothek.

Comics also immer noch Kinderkram? Der frühere Standort in der Tucholskystraße war sicherlich angemessener (die Betreiber hoffen, dorthin zurückkehren zu können), doch wäre es absurd, sich des inadäquaten Umfeldes wegen vom Besuch der Bibliothek abhalten zu lassen.

Wer will, findet natürlich ein üppiges Sortiment an Superhelden-Heftchen, die hervorragend geeignet sind, jedes herabwürdigende Klischee über das Medium Comic zu bestätigen.

Ebensogut aber läßt sich das plumpe Gegenteil behaupten, denn dem die Schundheftli milde übersehenden Blick eröffnet sich eine kenntnisreich zusammengestellte Auswahl verschiedenster Bücher. Außer etlichen Cartoonbänden und Alben mit Unterhaltungsfutter der üblichen Genres (SF, Fantasy, Funnies...) findet sich so auch ein wirklich erfreuliches Angebot für alle Interssenten der Kunst mit Bildern zu erzählen. Neben dem umfangreichen Werk Will Eisners, dem Altmeister der sozialkritischen Comicerzählung (South Bronx, Bropsie Avenue, Im Herzen des Sturms etc.) stehen überformatige Siebdruckbände der Sparte "Künstlerbuch" des Neuberliner Zeichners Reinhard Kleist (Abenteuer eines Weichenstellers nach H.C. Artmann) oder Art Spiegelmans legendäres Comic-Art-Magazin Raw, neben dem kruden Kunstgekrakel des imensen Post-Pop Art-Künstlers Gary Panter (Jimbo: Adventures in Paradise,Daltokyo) die sensiblen, gefühlsbeladenen Farbschauer (Kreidestriche) und kurzen, bitterbösen Alltagssatiren (Der tägliche Wahn) des Spaniers Miguelanxo Prado, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Das Unternehmen "Renate" selbst entstammt dem energischen Engagement einer Riege Ostberliner Comic-Enthusiasten, die vor rund zehn Jahren das bis heute bestehende Fanzine gleichen Namens gründeten, aus dessen Reihen manch ein inzwischen profilierter Zeichenkünstler hervorging (wie z.B. Atak, CX. Huth, etc).

Um die nicht zu unterschätzende, wohlgemerkt ehrenamtliche Arbeit, der Betreiber zu unterstützen, genügt es übrigens ihre Bibliothek zu frequentieren.
Kai Pfeiffer

Auguststraße 21, 10115 Berlin
Öffnungszeiten Mo 14-20 Uhr, Mi 14-20 Uhr, Fr 14-19 Uhr;
gegen einen Mitgliedsbeitrag von 5 DM/Monat kann bei jedem Erscheinen in der Bibliothek ein 10 cm hoher Bücherstapel entliehen werden.

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  Ausgabe 05 - 2000