Ausgabe 05 - 2000berliner stadtzeitung
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Den Kanal noch lange nicht voll

Warum noch Fernsehen? Schlechte Filme kann man jetzt auch allmonatlich neu auf Video sehen, dank "kanalB"

"Vergeßt Fernsehn! kanalB ruiniert Sehgewohnheiten" mit diesen selbstbewußten Werbespruch wirbt kanalB seit einigen Wochen um KundInnen. "Hausgemachte Kurzfilme, schlechte Musikvideos und Reportagen aus dem echten Leben" verspricht der Pressetext. Doch origineller als der ist die Verbreitungsweise. Die kanalB-MacherInnen schicken ihr Programm nicht über den Äther sondern kopieren es auf VHS-Kassetten, die immer am Ersten eines Monats für 5 DM in insgesamt 55 einschlägigen Kneipen, Plattenläden, Off-Kinos und Videotheken vorzugsweise in Mitte, Prenzlauer Berg und Kreuzberg erhältlich sind: Die erste Ausgabe des Videomagazins, die seit 1. April im Handel ist, bietet 20 Minuten lang Komisches, bisweilen Skurriles. Allerdings ist nichts enthalten, was nicht auch zumindest im Spartenprogrammen des Fernsehens zu sehen sein könnte.

Am Beginn geht es um "Echte Männer". Dazu geben mehrere Herren ihre Kommentare ab. "Echte Männer sind Buddhisten", meint der eine. "Echte Männer tragen Röcke", ergänzt ein anderer. Unter der Rubrik "Prominente von Morgen auf den Dächern von Berlin" wird der Explosionskünstler Hermann W. vorgestellt. Seine Karriere habe begonnen, als eine langweilige Party mit der Explosion eines Möbelstücks wieder in Schwung gebracht habe. Oder: Ein Mann in einem etwas altmodischen Anzug auf einem Dach stehend drückt wild gestikulierend seine Meinung zum HipHop aus, über die er von einer Interviewerin gefragt wird. "Sind wir hier im Ghetto oder was?!!" fragt er provokativ in die Kamera.

"Wir wollen mit kanalB ein Forum für No-Budget Filme schaffen, die vielleicht sonst nie oder höchstens einmal auf einem Off-Filmfestival gezeigt werden". meint Bärbel Schönafinger, eine der Personen, die das Projekt mit viel Engagement realisiert haben. Dabei konnten sie sich auf keine Vorbilder aus anderen Städten stützen. "Ideen in diese Richtung gab es schon länger, aber die Umsetzung in Berlin ist eine absolute Weltpremiere", so Schönafinger. Daß dazu viel Idealismus gehört und Geld damit zumindest mittelfristig nicht zu machen ist, wenn auch ein kanalB-Beitrag den Titel "Anleitung zum Reichwerden" trägt, nehmen die OrganisatorInnen in Kauf . "Wir haben alle eigene finanziellen Mittel angezapft, damit das Projekt ins Laufen kommt".

An interessiertem Publikum scheint es kanalB nicht zu fehlen, zumindest dem Andrang auf der kanalB-Release-Party nach zu urteilen. In einer ausrangierten Fabrik in Mitte gaben sich am 1.April Postautonome und Ex-HausbesetzerInnen die Klinke in die Hand. Auf dieses Klientel ist auch die kanalB-Werbung zugeschnitten; zwei Personen mit Haßkappen auf den Dächern über Berlin sind auf dem Plakat zu sehen. Doch dieses Outfit gehört wohl bei den kanalB-MacherInnen wie auch den KonsumentInnen längst der Vergangenheit an. Schließlich faßte Bärbel Schönafinger das Konzept des Projekts so zusammen: Unterhaltsam, pointiert und unkommerziell müssen die Beiträge sein, um die Kriterien von kanalB zu erfüllen und noch wichtiger: Keine Kunst, kein Feminismus, keine Politik.
Peter Nowak

Infos unter fon 030/29 00 16 93 oder unter www.kanalb.de

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