Ausgabe 04 - 2000berliner stadtzeitung
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Spaziergang mitten auf der Friedrichstraße

Grüne fordern autofreie Tage

Wer die siebziger Jahre im Westen erlebt hat, kann sich vielleicht noch daran erinnern, dass man an einigen Sonntagen auf Autobahnen spazierengehen konnte. Grund für die autofreien Sonntage war die "Ölkrise" und nicht etwa der Umweltschutzgedanke. Die Ökobewegung steckte buchstäblich noch in den Kinderschuhen.

Ein viertel Jahrhundert später wollen die Berliner Grünen wieder autofreie Tage einführen. An vier Sonntagen im Jahr soll die Innenstadt zwischen Oberbaumbrücke, Kanaluferstraßen, Großer Stern und Invalidenstraße für Autos gesperrt werden, erläutert der verkehrspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Michael Cramer. Außerhalb dieses Rings soll dazu aufgerufen werden, das Auto stehen zu lassen. Busse und Bahnen sollen an diesen Tagen kostenlos sein. "Die BVG verliert dabei nur die Tageseinnahmen - 80 Prozent der Kunden haben sowieso eine Dauerkarte -, gewinnt aber einen großen Werbeeffekt", versucht Cramer die Bedenken der Verkehrsbetriebe schon im Voraus zu zerstreuen.

Vorbild für die Aktion ist ausgerechnet das Autoland Italien - Heimat von Ferrari und Lamborghini. Der grüne Umweltminister Edo Ronchi hat dort vier "Sonntage zu Fuß" durchgesetzt. 145 Städte beteiligen sich daran, darunter Rom, Mailand, Neapel und auch die Fiat-Stadt Turin. "Der kostenlose Nahverkehr war überfüllt, landesweit stauten sich 18 Millionen Fußgänger in den Innenstädten und der Radverkehr nahm um 300 bis 900 Prozent zu", berichtet der Berliner Grünen-Abgeordnete Hartwig Berger von der "Aktion zur Wiedergewinnung der Stadt".

Als Termine für die autofreien Sonntage schlägt Cramer Tage vor, an denen die Innenstadt sowieso schon weitgehend für Autos gesperrt ist: den Tag der Fahrradsternfahrt am 4. Juni, den Sonntag nach der Love-Parade Mitte Juli oder den Tag des Berlin-Marathons Ende September. Verschiedene Umweltgruppen beharren zusätzlich auch auf dem Aktionstag "Mobil ohne Auto", in diesem Jahr am 18. Juni.

Dass auch autofreie Werktage nicht unmöglich sind, zeigt das Pariser Beispiel. Dort hat man im letzten Jahr den 22. September für autofrei erklärt. Dieser Tag wurde von der Europäischen Kommission zum "Tag ohne Auto" deklariert, der bisher jedoch wenig beachtet wurde. In diesem Jahr will sich Hamburg am autofreien 22. September beteiligen, und auch die Berliner Grünen versuchen, der jüngeren Generation die Möglichkeit zu geben, einmal auf einer Autobahn zu spazieren.
Jens Sethmann

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