Ausgabe 04 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Intimpiercing, Spezialpiercing, Megapiercing

Lachen tut weh: "Jesus ist ein Palästinenser" ist ein lustiges Hirnpiercing für Eso-Hasser

Zunächst ernten auf einer niederländischen Landkommune mittelalte, gesichtsmetallverzierte Männer in Sackgewändern Kürbisse. Irgendeine Sekte wird´s schon sein. Dann kommt der Guru in einem bunten indischen Auto und braucht ein jungfräuliches Sektenmitglied für die Initiationszeremonie. Der 25jährige Ramses ist der Auserwählte. Alles wird vorbereitet, die Zeremonie findet statt, wobei der Ärmste ein Spezialpiercing an delikater Stelle bekommt, das die Unschuldigkeit erhalten soll. Und das tut weh, aber wer dazugehören will, muß leiden. Piercings sind eminent wichtig und bedeutungsvoll. Der Sektenführer Khan Guru kann vor lauter Blech kaum den Mund aufmachen.

Es ist alles so schön friedlich in dieser Männeridylle. Doch plötzlich schneit Ramses« Schwester Natascha herein und nimmt den Jungen mit nach Amsterdam zum schwerkranken Vater, der noch einmal seinen Sohn sehen will. Ramses fährt zu ihr in die Mädchen-WG, sieht den siechen Vater, der schon seit drei Monaten nichts gesagt hat. Die Schwester hat ihn angelogen, um seine Unterschrift zu bekommen, die zum Abschalten der lebenserhaltenden Geräte notwendig ist. Denn der alte Mann liegt kopfunter in einem separaten Zimmer, und sein Körper löst sich so langsam auf. Kein schöner Anblick.

Da geschieht ein Wunder: Der Vater spricht wieder. Und Ramses bleibt da, um den Vater nochmals zum Sprechen zu bringen. Leider wartet der Sektenguru sehnsüchtig auf Ramses« Rückkehr, um das Megapiercing machen zu können.

Aber Ramses verändert sich, legt sein Metall ab, trägt bald normale Klamotten. Und wartet darauf, daß sein Vater wieder spricht. Dabei erhofft er sich die Hilfe eines selbsternannten Heilsbringers, der in einem Sozialbau hofhält und zusammen mit seinen minderbemittelten Jüngern auf die Wiederkehr des Messias wartet. Als Nebenerwerb verkauft der Prophet eine fischig riechende Salbe, die gegen alles und jedes helfen soll. Ramses, na klar, salbt damit den Vater.

Oh ja: Piercing tut weh. Und noch weher tut«s bestimmt, wenn jemand mit einer Bohrmaschine ankommt, um ein Loch in die Wade zu machen, damit dort eine Röhre durchgestochen werden kann, die absolut notwendig ist für den ultimativen Kick, der besser als Sex, überhaupt besser als alles andere auf der Welt ist.

Glaubt man dem Film "Jesus ist ein Palästinenser" des Niederländers Lodewijk Crijns, besteht die Welt nur aus Freaks, die auf einem Hochhausdach den Heiland erwarten, oder auf ein Zeichen oder was auch immer. Durchgeknallte Typen, die noch an etwas glauben, und wenn es der ultimative Kick aus der Wasserpfeife ist. Hier wird ordentlich die Esoterik- und Heilsbringerfraktion veralbert. Natürlich sind die Figuren überzeichnet, und man weiß gar nicht, ob man weinen oder lachen, den Film gut oder doof finden soll. Naja, lieber lachen und gut finden: Dann tut es richtig geil weh, wie Piercing im Kopf.
ib

Jesus ist ein Palästinenser
Ab 13. 4. im Kino

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