Ausgabe 04 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Schleifspuren in "Downhill City"

Der erste Film des finnischen Newcomers Hannu Salonen

Kalt und ungemütlich ist es im hohen finnischen Norden, wenn man Musiker ist und wenig erfolgreich. Immer nur Tourbus-Anschieben im Schnee und wenig Gage. "No Money - No funny." Kein Wunder, daß da einer mal denkt, daß es woanders schöner sein könnte. Und fährt mit seiner Gitarre in die Welt, die in diesem Fall Berlin heißt. Unterkunft findet sich in einer Absteige namens "Downhill City Hotel". Nein, hier stürzt sich niemand vom Dach und die Idee ist auch nicht von Bono. Aber das Hotel ist, wie bei Wenders, Namensgeber für den Film "Downhill City", der Abschlußfilm des finnischen DFFB-Absolventen Hannu Salonen. Selten genug kommen solche Abschlußarbeiten ins Kino. Von einigen Ausnahmen wie Katja von Garniers "Abgeschminkt" einmal abgesehen.

Der Film erzählt von Menschen und ihren Träumen. Sie treffen aufeinander, verlieren sich wieder. Das tun sie in Berlin. Zentralfigur ist der Finne Artsi (Teemu Aromaa), der eben genug hat vom ewigen Schnee und schlechter Bezahlung. In Berlin angekommen. steigt er im "Hotel Downhill City" ab, das einem gutmütigen Kunstliebhaber gehört. Dann ist da noch Sascha (Sebastian Rudolph), gerade aus dem Knast entlassen und ohne Bleibe. Der läuft Fabian (Axel Werner) über den Weg, einem Schriftsteller mit Schreibhemmung, der sein Leben als Pizzafahrer fristet.

Die beiden wiederum überfahren beinahe den tumben, semiprofessionellen Boxer Hans (Andreas Brucker), der eine Freundin Peggy (sächselnd: Franka Potente) hat, die bei einer Fastfoodkette arbeitet, dort wiederum auf Artsi trifft und so weiter: Am Ende haben sich alle irgendwann einmal getroffen. Der Schriftsteller zieht bei seiner Mutter aus und hat bald einen unwillkommenen Mitbewohner, nämlich den Boxer. Dafür kann er aber wieder schreiben. Der selbstherrliche Boxer verliert erst seine Freundin, dann einen wichtigen Kampf und trifft auf die wohlhabende Ehefrau Doris (Michaela Rosen), die gerade ihren Mann verlassen hat, weil sie immer nur Dekoration gewesen ist.

Die Wege kreuzen sich, und jedesmal gibt es Schleifspuren, die ineinander übergehen, musikalisch schön melancholisch untermalt von der Band "22 Pistepirkko". Schließlich stehen alle wieder am Anfang, allerdings hat sich etwas bewegt: Sascha überfällt eine Bank und wandert zwar wieder ins Gefängnis, doch sein Vater redet wieder mit ihm. Der Schriftsteller kann seinen früheren Erfolg mit einem neuen Roman wiederholen. Artsi geht zurück nach Finnland, weil es zu Hause doch am schönsten ist. Aber dazu mußte er erst die Welt, sprich Berlin, sehen. Es geht um so etwas wie Heimat, Identität und den Weg, beides zu finden. Und um das Menschenkaleidoskop der Großstadt, mit fremden Augen gesehen. Natürlich denkt man an großartige Filme wie "Nachtgestalten" oder "Night on Earth". Aber deren großartige Regisseure haben auch einmal angefangen. Und eigentlich ist das gar nicht so wichtig. In "Downhill City" versteht man wieder, warum man in Berlin lebt, und daß alles gar nicht so schlimm ist. Das ist doch etwas.
ib

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 04 - 2000