Ausgabe 03 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Musik für die Lappen

Rentner- und Kindermusik aus Finnland

Humppa ist ein schneller, traditioneller finnischer Volkstanz, so etwas wie eine Hochgeschwindigkeitspolka. Die Kombo Eläkeläiset ("Die Rentner") aus dem ostfinnischen Joensuu hat diese angestaubte Musik aus den Altersheimen hervorgeholt, mit viel Alkohol versetzt und beglückt damit seit einigen Jahren den Rest Europas. Mit einer fiepsenden Orgel, einem altersschwachen Akkordeon, einem monotonen Bassgezupfe und einem Minimalschlagzeug nehmen sich Eläkeläiset die größten Hits aus vier Jahrzehnten vor. Die Kinks, Deep Purple, The Doors, Depeche Mode, Nirvana - alles wird gnadenlos durch die Humppa-Maschine gedreht und mit einem finnischen Text versehen, der vermutlich jeder Beschreibung spottet. Mit Finnisch-Schulkenntnissen und einem mittleren Wörterbuch kommt man jedenfalls nicht viel weiter.

Nachdem nun schon vier Eläkeläiset-CDs in Mitteleuropa erschienen sind, machen sie nun auch ihr Frühwerk, das bisher nur in Skandinavien oder über Import erhältlich war, uns Südländern zugänglich. "Hump an kuninkaan hovissa 1994-95" (Humppa Records/Indigo) versammelt das Beste aus der Jugendzeit der Rentner: die High- und Lowlights der ersten beiden Platten sowie bisher unveröffentlichte Spontanaufnahmen aus Übungsräumen und Tourbussen. In zehn Jahren ist Eläkeläiset vermutlich der neue Buena Vista Social Club.

Mit jeder Eläkeläiset-Platte kann man hervorragend "Erkennen Sie das Original?" spielen. Und das ist nicht immer ganz einfach: "Das hört sich irgendwie an wie Roxette - oder ist es doch Motörhead?" Nach exzessivem Humppa-Konsum kann sich das Phänomen auch umkehren: Bei irgendeinem Gassenhauer im Radio durchzuckt einen der Gedanke: "Hei, das klingt wie Ryhtivaliohumppa!"

Die Gruppe Saariston Lapset ("Die Kinder von der Inselgruppe") kommt aus der lappländischen Provinzhauptstadt Rovaniemi. "Saariston Lapset" ist der finnische Titel von "Ferien auf Saltkrokan", doch was die seltsame Lo-Fi-Easy-Listening-Musik der gleichnamigen Band mit Astrid Lindgrens Geschichte zu tun hat, bleibt ebenso im Dunkel wie der tiefere Sinn des Albumtitels "Kaasuhellan Käyttöohje" ("Gebrauchsanweisung für Gasherde", Humppa Records/Indigo). Jukka, Mika und Tuomas Saaristo basteln mit Melodica, Elektroklavier, Gitarre und Beatbox etwas zusammen, das mal wie eine amoklaufende Kirmeskapelle, mal wie eine überdrehte "Tor des Monats"-Melodie und mal tatsächlich wie der Soundtrack zu einem Kinderfilm klingt. Auch wenn dabei ganz auf die zauberhafte Sprache verzichtet wird: sehr finnisch.
Jensi Sethimäinen

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  Ausgabe 03 - 2000